Crematogaster limata parabiotica und Camponotus femoratus

  • Hallo aus Koblenz,


    von Herrn Kalytta habe ich die Erlaubnis diesen Bericht und die Bilder hier einzustellen. Viel Spaß beim Lesen :



    Crematogaster limata parabiotica und Camponotus femoratus sind Bewohner des tropischen Regenwaldes in Süd-Amerika. Schon Prof. August Forel berichtete vor ca. 100 Jahren in einem Buch von diesen zwei sehr verschiedenen Ameisenarten, welche lange Strecken auf der gleichen Ameisenstraße liefen, ohne sich gegenseitig anzufeinden.


    Als ich auf einer Reise in Französisch-Guayana im Regenwald das erste Mal auf eine Ameisensraße dieser beiden Ameisenarten stieß, dachte ich gleich an die Beschreibung Forels und konnte diese Ameisen Crematogaster limata parabiotica und Camponotus femoratus zuordnen.
    Natürlich folgte ich gleich der Straße in die Richtung, wo Arbeiterinnen dieser Ameisen ihre Beute hin-transportierten. Bald merkte ich, dass es meistens lange Strecken waren, welche über den Waldboden, Lianen und Ästen zurückgelegt wurden. Nachdem ich dann durch etliche Sträucher und Lianen geklettert war, entdeckte ich voller Freude, dass es trockene Blattansammlungen in den Sträuchern gab, wo die Ameisenstraße zu enden schien. Als ich aber vorsichtig einige dieser "Blatthaufen" öffnete, wurde ich heftig attackiert von den großen Camponotus, welche mich teilweise blutig bissen, während die kleinen Crematogaster zwar auch ihre "Nester" verteidigten, aber bei ihnen ging es glücklicherweise ohne Blutvergießen.
    Zu meiner großen Enttäuschung musste ich aber feststellen, dass diese Ansammlungen trockener Blätter gar nicht die Nester dieser Ameisen waren, sondern eher Zwischendepots und die Straße noch viel weiter führte.
    Irgendwann stieß ich dann auf Ameisengärten, welche teilweise hoch in den Bäumen angelegt waren, wohin dann diese Ameisenstraßen führten. Die Ameisengärten bestehen aus verschiedenen epiphytischen Pflanzen, z.B. Gesnerien, Aronstabgewächse (Araceae), Ananasgewächsen (Bromelien) usw. In deren Wurzelgeflecht befinden sich die Nester von
    Crematogaster limata parabiotica und Camponotus femoratus, aber in getrennten Kammern.


    Da ich anschließend nach der Reise glücklicher Besitzer eines kleinen Ameisengartens war, konnte ich Zuhause einige interessante Beobachtungen an diesen Ameisen machen.
    Schnell bevölkerten diese beiden Ameisenkolonien mein ganzes Regenwaldterrarium. Sie furagierten überwiegend auf Zweigen und Blättern und ernteten oft gemeinsam an den vielen Nektarien einer kleinblättrigen Passiflora (Passionsblume) den Nektar. Wenn ich den Ameisen eine zerdrückte Fliege, oder ein anderes Insekt auf ein Blatt legte kamen in der Regel zuerst die kleinen Crematogaster in großen Scharen, um die Beute zu zerlegen und abzutransportieren. Im schnellen Tempo liefen dann die Camponotus auf den Straßen der Crematogaster und es schien mir, dass sie bei größeren Ansammlungen der Crematogaster neugierig prüften, ob es vielleicht Beute zum Teilen gab.


    Auf einigen Fotos konnte ich dann einige interessante Beobachtungen festhalten, welche ich jetzt beschreiben möchte:
    Auf einem Blatt der Passionsblume heftete ich eine zerdrückte Fliege, worauf sehr schnell einige Crematogaster nach der entdeckten Beute spurten und im Nest von der Beute berichteten. In Kürze war die Fliege schwarz übersät mit vielen kleinen Crematogaster, welche sich emsig an der Beute zu schaffen machten.
    Eine vorbeilaufende Camponotus entdeckte diese Volksansammlung und und versuchte vorsichtig an die Beute zu gelangen. Sogleich begannen die kleinen Crematogaster mit vielen Drohgebärden und aufrechtem Gaster den Eindringling abzuwehren. Immer wieder schlich die Camponotus wie "die Katze um den heißen Brei" und konnte nicht an die Beute kommen.
    Letztendlich beherzte sich die Camponotus, legte ihre Fühler zurück, damit diese nicht mit den Abwehrsekret-Tröpfchen der Gegner in Berührung kamen, schnappte sich eine kleine Crematogaster mit den Mandibeln und setzte sie vorsichtig neben der Fliege ab. In dieser freien Nische kam die Camponotus etwas an die Beute ran. Ganz vorsichtig, mit angelegten Fühlern fraß sie dann etwas neben den vielen drohenden Crematogastern. Diese jedoch beruhigten sich langsam und ließen den "Eindringling" fressen (man kannte sich ja von der gemeinsamen Straße und vom Ameisengarten).
    Bei einem Versuch eine andere Ameisenart (Oecophylla) in diesen Crematogaster-Auflauf zu setzen, wurde diese augenblicklich gestreckt und getötet, es gab da keinerlei "Toleranz".
    Nachdem die Camponotus an der Beute gefressen hatte legte sie deutlich erkennbar ihre chemische Spur auf dem Weg zu ihrem Nest. Schnell kamen einige Nestinsassen aus dem Nesteingang und folgten nun der eigenen chemischen Spur bis hin zur Beute. (Wieweit die Camponotus in der Lage ist die Spursubstanz von Crematogaster zu "lesen" und zu befolgen ist mir noch nicht bekannt). An der Beute angekommen, begann das gleiche Spiel wie bei dem ersten Tier und langsam saß eine Gruppe Camponotus auf der Fliege, welche sie Stück für Stück zerlegten. In dieser Situation machte ich eine interessante Beobachtung, welche mich veranlasste diesen Bericht nieder zu schreiben:
    Während die kleinen Crematogaster die Fliege streckten und dabei waren die Extremitäten zu benagen, zerlegten die Camponotus die Fliege, auf der sie überwiegend saßen mit ihren sehr kräftigen Mandibeln und dabei entstand eine Situation eines "ungewollten Teamworks". Ebenso beim Abtransport einiger Beuteteile konnte ich beobachten, wie eine kleine Gruppe Crematogaster einerseits- und am anderen Ende des Beutestückes eine Camponotus die Beute nach Hause transportierten. Da aber die Laufgeschwindigkeiten dieser Ameisen sehr verschieden sind, hielt die Gruppe an und die Camponotus zerlegte das längliche Beutestück, überließ die Hälfte den Crematogaster und eilte mit "ihrer Hälfte nach Hause.
    Sicherlich waren beide Ameisenarten bemüht ihren eigenen Vorteil zu suchen, aber trotzdem konnten beide von dieser "ungewollten Zusammenarbeit" profitieren.


    Ich denke, dass dieser Bericht noch weitere Personen motivieren wird ähnliche Versuche mit diesen parabiotischen Ameisen zu machen und vielleicht auch noch einige andere Geheimnisse entlocken wird.

  • Hallo,


    auch wenn ich diese Geschichte sicherlich schon zweimal von Kalytta selbst erzählt bekommen habe, finde ich es klasse, dass sie sogar mit Fotos unterlegt hier ins Forum gefunden hat! Ich finde das äußerst interessant. Danke, Fred!
    Ich glaube, es gibt hierbei noch großes Forschungspotenzial - diese beiden Arten sind sicherlich nicht die einzigen, die eine parabiotische Beziehung zueinander pflegen.
    Auch in Europa gibt es anscheinend etwas ähnliches; Camponotus lateralis sind dazu fähig, auf Crematogaster scutellaris Straßen zu laufen und ihre Spurenpheromone wahrzunehmen.


    Grüße, Phil

  • Ja, ein toller Bericht. Auch wenn das Zusammenleben der beiden Arten seit langem bekannt ist (...worauf ja hingewiesen wird..), weiss man wohl wenig darüber, wie es funktioniert. Das sind interessante Beobachtungen, wer hätte gedacht, dass verschiedene Ameisenarten manchmal fähig sind, sogar die Beute zu teilen. Natürlich nicht "bewusst" und ganz freiwillig, aber eben auch ohne grössere Feindseeligkeiten. Das ist ungewöhnlich und geht so wohl nur bei Arten, die so eng zusammenleben.
    Ich glaube nicht, Phil, dass das Zusammenleben der Camponotus lateralis und der Crematogaster scutellaris auch derart eng und überhaupt vergleichbar ist. Beide Arten leben ja überwiegend allein, keine der Arten ist irgendwie auf die andere angewiesen. Das gemeinsame Antreffen und das (manchmal) gemeinsame Leben der Arten liegt für mich eher an den ähnlichen Ansprüche beider Arten an ihrem Lebensraum. Begünstigt wird es auch durch die Toleranz beider Arten gegen zum einen unbedeutende, zum anderen übermächtige Konkurrenten, Camponotus lateralis kann und wird nichts gegen eine Crematogaster-Kolonie ausrichten und Crematogaster wird die relativ kleinen Kolonien der lateralis und ihre unauffällig fouragierenden Arbeiterinnen dulden. Dabei wird lateralis als etwas wendigere Art einiges "gelernt" haben in den Zeiträumen des Zusammenlebens, so vllt. auch das mögliche und immer wieder beschriebene Lesen der Duftspuren der Crematogaster.


    Danke Fred für das Einstellen des Berichtes von Gerhard, schön wäre aber auch gewesen, wenn er den Bericht hier selbst einstellen würde..;)


    LG, Frank.

  • Hallo,


    Zitat

    Ich glaube nicht, Phil, dass das Zusammenleben der Camponotus lateralis und der Crematogaster scutellaris auch derart eng und überhaupt vergleichbar ist.

    Nein, natürlich nicht! Mir scheint, dass die Camponotus lateralis in diesem Falle die Crematogaster gewitzt ausnutzen; ich denke zudem, dass es kaum ein Zufall sein wird, dass die C. lateralis eine derart ähnlich Färbung wie die Crematogaster scutellaris ausweißt, vielleicht eine Art Myrmikry? Es gibt auch in Australien eine Polyrhachis die eine Rhytidoponera-Art nachahmt, weil diese gefährlicher sind und die Polyrhachis in Folge auch von Fressfeinden gemieden werden.
    Es sollte einfach nur ein Beispiel für ein friedliches Zusammenleben von versch. Ameisenarten darstellen, und dass man dafür nicht einmal in die Tropen reisen muss.
    Jetzt, wo ich genauer darüber nachdenke fallen mir auch weitere Beispiele ein, wie die mit den Waldameisen zusammenlebenden Formicoxenus nitildus. Auch in dem Falle eher eine einseitige Beziehung, nichtsdestotrotz hochinteressant.


    Grüße, Phil

  • Ja, ich denke auch, dass es die lateralis einfach verstehen, die Creamtogaster zu nutzen, Phil. Wenn sie in deren Nähe leben, geniessen sie den Schutz der wehrhaften Crematogaster, sie nutzen deren Ressourcen, zB. Blattlauskolonien usw.. Und es fällt sicher hin und wieder sonst noch was ab.
    Ich denke da unwillkürlich an Formica fusca, die ist noch gewitzter und vermag es, in der Näher anderer, absolut dominanter und wehrhafter Ameisenarten zu nisten. Sicher geniesst sie dort die gleichen Vorteile wie lateralis bei Crematogaster, nur das fusca es manchmal auf die Spitze treibt. Sie ist wahrlich gewitzt, beklaut sogar Waldameisen, die mit Beute belanden heimkehren oder Lasius fuliginosus. Fusca hat hervorragende visuelle Fähigkeiten, vermag es, anderen Ameisen optisch auszuweichen, ohne dabei Hals über Kopf zu fliehen. Aber Formica fusca ist dabei absolut selbstständig,mit einer riesigen Bandbreite möglichen Verhaltens und grösster Cleverness und ohne jede Abhängigkeit, anders als vielleicht die erwähnten Formicoxenus. Die fand ich bisher nur in Kolonien von Waldameisen, Formica pratensis und F. rufa.
    Den Leptothorax traue ich einiges zu, auch sie treiben sich gern und unauffällig in der Nähe anderer Kolonien grosser und wehrhafterer Arten herum. Ebenso übrigens Myrmica schenki, die stibitzen gerne Ameisenleichen und "Essensreste"von Abfallhaufen grosser Kolonien anderer Arten. Das ist sowieso eine hochinteressante Art und die Art unterscheidet sich in vielem völlig von der Verwandschaft.
    Selbst ganz junge, vllt. einjährige niger- oder alienus-Kolonien sind im Freiland in dieser Phase mit ihren winzigen, an Tapinoma-Arbeiterinnen erinnernden Zwergarbeiterinnen zu solchen oder ähnlichen Verhalten fähig. Solche Kolonien verhalten sich defensiv, ausweichend und die wenigen, winzigen Arbeiterinnen der noch kleinen Kolonien fouragieren noch allein und unauffällig. Die Kolonien müssen sich so verhalten, entstehen sie doch oft in bestehenden Revieren grosser Kolonien der eigenen Art oder einer anderen dominanten Art. Werden sie entdeckt, müssen sie damit rechnen, ausgelöscht zu werden. Erstarken diese Kolonien, werden sie selbstbewusster und erobern mit Glück eigene Terrains. Diese Phase erreichen aber die allerwenigsten Kolonien.


    LG, Frank.

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