Für ein paar Tage waren wir im Süden der Türkei unterwegs. Hier in der wohl klimatisch "günstigsten" Region der türkischen Riviera, in der Umgebung von Alanya. Dies ist die regenreichste und wärmste Region der Türkei, Ergebnis des milden, subtropischen Klimas ist ein ausgedehnter Anbau von Bananen, die hier in grossen Freilandplantagen kultiviert werden.
Wir hatten Anfang November Tagestemperaturen um 30 Grad am Mittag, das Meer hatte noch immer wunderbare Badetemperaturen von gut 24 Grad. Die Tage waren durchweg sonnig und heiss-trocken, die Regenzeit hatte noch nicht eingesetzt. So war es unumgänglich, einen nicht geringen Teil der Zeit am Meer und dessen wunderschönen, sauberen Stränden zu verbringen. Das Meer ist hier einfach wunderschön und kristallklar. Und gerade hier, im östlichen Teil des Mittelmeeres, sind die Spätsommer besonders anhaltend und traumhaft mild und das Meer ist besonders warm und sauber.
Das Land hat natürlich auch sonst einiges zu bieten, Hauptziel der Reise war aber vor allem die Beobachtung der Orientalischen Hornisse (Vespa orientalis). Leider aber schienen die Kolonien der Hornissen trotz der warmen Temperaturen ihren Jahreszyklus bereits fast völlig eingestellt zu haben. Andere Wespen waren noch in grossen Mengen unterwegs, besonders die beiden kosmopolitischen Arten der Kurzkopfwespen, Vespula germanica und Vespula vulgaris, die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe oder Erdwespe. Arbeiterinnen dieser Wespen waren allerorts zu beobachten, sie jagten, trugen Wasser ein von Wasserstellen oder fanden sich an anderen Stellen ein, die Nahrung versprachen.
Die Hornissen sind mit vielen Arten in der Alten Welt verbreitet und besiedeln die gemässigten und subtropischen Regionen. Immer wieder erstaunlich ist für mich, dass sie im Gegensatz zu den o.g. kleineren Verwandten offenbar keine Neigung zeigen, ihre Aktivität in wärmeren Regionen ihrer Verbreitungsgebiete zeitlich auszudehnen. Im Gegenteil, es scheint sogar so zu sein, dass die Hornissenpopulationen direkt an der warmen Mittelmeerküste ihre Aktivitäten früher einstellten als jene Hornissenpopulationen, die etwas weiter landeinwärts in etwas kühleren Regionen siedelten. So fanden wir direkt an der Küste nur noch Geschlechtstiere, vor allem Männchen, weiter landeinwärts jedoch noch einige fliegende Arbeiterinnen.
Völker der Deutschen Wespe oder der Gemeinen Wespe sind manchmal in der Lage, die milden "Winter" in der Mittelmeerregion zu überstehen oder zumindest noch lange Zeit in ihnen das Kolonieleben aufrecht zu erhalten. Ich beobachtete jagende Arbeiterinnen der genannten Wespenarten an der portugiesischen Algarve im Januar, ebenso in Tunesien und vor einigen Jahren beobachteten wir riesige Kolonien in der Türkei im November. Es gibt Berichte über mehrjährige Kolonien dieser Arten aus Pakistan und aus anderen subtropischen Regionen. Diese Kolonien sollen dann sogar polygyn sein und Jungköniginnen aus eigener Produktion adoptieren. Diese Kurzkopfwespen können wohl als die sozialen Faltenwespen betrachtet werden, die das differenzierteste und höchstentwickelte Zusammenleben entwickelt haben. Offenbar sind diese Arten auch am besten in der Lage, sich unterschiedlichen klimatischen Bedingungen anzupassen, sie sind sowohl im winterkalten Europa erfolgreich wie auch in subtropischen Regionen. Sie sind extrem produktiv und können auch in den kurzen Sommern Mitteleuropas grosse Kolonien entwickeln mit mehreren tausend Individuen und sie können in wärmeren Regionen Kolonien mit zigtausenden Individuen hervorbringen, die u.U. mehrere Jahre bestehen.
Die unterschiedlichen Hornissenarten scheinen in ihren Zyklen sehr viel weniger anpassungsfähig zu sein. Im Prinzip kann man das auch an unseren Hornissen beobachten, die Kolonie gehen meist bereits Ende Oktober zugrunde, zu einer Zeit, in der sich bei einigermassen günstigen Temperaturen die Völker unserer Kurzkopfwespen ihrem Untergang noch entgegenstemmen. Deren Kolonien gehen in aller Regel erst mit den ersten harten Frösten und am Nahrungsmangel zugrunde. Der wachsende Nahrungsmangel scheint dabei die grösste Rolle zu spielen, die kühler und vor allem kürzer werdenden Tage erlauben es den Arbeiterinnen nicht mehr, ausreichend Nahrung einzutragen. Zudem verschwinden einfach die Beutetiere, die Jagd wird immer weniger einträglich.
Man spricht bei den sozialen Faltenwespen wie auch bei Hummeln und anderen sozialen Insekten mit meist einjährigen Staaten von kurzzyklischen und langzyklischen Insektenstaaten. Bei den Wespen gehören die heimischen Feldwespen (Polistes), die Langkopfwespen (Dolichovespula) und die Rote Wespe (Vespula rufa) zu den Wespen mit kurzem Jahreszyklus. Ihre kleine Staaten bestehen nur wenige Wochen oder Monate, bereits im Hochsommer wird für die Aufzucht der jungen Geschlechtstiere gesorgt und die Staaten gehen schon im Juli, August oder bei manchen Arten im September zugrunde.
Unsere beiden häufigsten Wespenarten, die genannte Deutsche Wespe und der Gemeine Wespe werden mit unserer Hornisse (Vespa crabro) zu den Wespen mit langzyklischen Staaten gezählt. Ich würde eigentlich zumindest für die Hornissen diese Definiton nicht mehr anwenden. Ihre Zyklen sind offenbar doch sehr begrenzt, man kann die Hornissen überhaupt nicht mit den Kurzkopfwespen vergleichen. Sie beenden einfach ihr Kolonieleben, selbst bei überaus günstigen Bedingungen. Hornissen besiedeln nicht nur winterkalte Regionen, sie besiedeln auch südliche und warme Regionen Asiens wie zB. Thailand und dies seit jeher, sie sind hier nicht etwa zugewandert. Auch hier sterben die Kolonien und zerfallen die Staaten offenbar, nachdem sie ihren Zyklus beendet haben und Geschlechtstiere aufgezogen haben. Hier bei uns in Mitteleuropa tun sie das bereits im Oktober oder Anfang November, sie haben dann ihren Zyklus abgeschlossen, Geschlechtstiere aufgezogen und die Staaten zerfallen einfach. Erstaunlich war für mich, dass dies offenbar auch die Hornissen in den subtropischen Regionen der Türkei tun, immerhin sahen wir fast ausschliesslich Männchen der Art und wir hatten doch eigentlich noch mit vielen Arbeiterinnen gerechnet. Männchen sahen wir in ungeheuren Mengen, was wohl belegte, wie erfolgreich und wie häufig die Orientalische Hornisse hier war. Immerhin müsste die Zahl der Arbeiterinnen noch weit grösser gewesen sein in den Zeiten, als die Kolonie noch aktiv waren als die Zahl der vielen Männchen, die wir jetzt sahen. Und wir sahen viele Männchen, manchmal Dutzende an Wasserstellen gleichzeitig.
Ich bin ein bischen traurig, aber dies ist das einzige Foto einer Arbeiterin. Diese Hornissen sind anders als unsere heimische Hornisse ungeheuer scheu und vorsichtig, man kann sie nur mit List und grösster Umsicht fotografieren und sich ihnen nähern. Dies mag natürlich im Hochsommer anders sein, wenn die Arbeiterinnen unter Stress stehen, Nahrung sammeln und dann viel weniger ängstlich sind. Das Bild zeigt eine Hornisse beim Besuch eine Blüte des Oleander.
Es folgen in den nächsten Tagen noch ein paar Bilder der Männchen dieser Hornisse und einige Schilderungen dessen, was wir beobachtet haben.
LG, Frank.