*Harpegnathos venator - Gemeinsamer Haltungsbericht

  • Haltungsbericht über Harpegnathos venator von Phillip



    Vorgeschichte: Aufgrund ihres einzigartigen Aussehens und der ihr nachgesagten Schwierigkeit in der Haltung hatte ich schon seit Längerem Interesse mich an der Haltung von Harpegnathos venator zu versuchen. Im Oktober 2012 kam eine kleine Kolonie mit 14 Arbeiterinnen bei mir an. Dann ging es auch schon mit den Problemen los - scheinbar war es beim Versand zu kalt geworden und die Kolonie lag wie tot in dem Reagenzglas. Nach einigen Stunden im warmen und dunklen Schrank hatten sich die meisten Tiere wieder berappelt. In den nächsten Tagen starb allerdings über die Hälfte der Arbeiterinnen weg.



    Der allmorgendliche Anblick in der ersten Woche nach dem Versand - tote Arbeiterinnen vor dem Nesteingang.


    Aufgrund der Instabilität der stark geschrumpften Kolonie habe ich mir eine zweite Kolonie mit ca. 10 Arbeiterinnen zuschicken lassen.


    Ganz einig, ob Harpegnathos venator streng monogyn sind, ist man sich ja nicht und ich wollte die Haltung mit zwei Königinnen versuchen.
    Die Vergesellschaftung klappte widererwartend ohne Probleme, nach wenigen Minuten ließen die Arbeiterinnen voneinander ab und begannen sich intensiv gegenseitig zu putzen, wahrscheinlich um den Koloniegeruch anzugleichen. In den nächsten Monaten wurden einige Eier gelegt, aber es schlüpften nie Larven. Da ich gelegentlich Auseinandersetzungen zwischen den Königinnen beobachten konnte, wuchs bei mir der Verdacht, dass sie um die Brut konkurrierten und sich gegenseitig die Eier wegfraßen bevor sie schlüpfen konnten. Zu allem Überfluss musste ich dann auch noch feststellen, dass die Kolonie hoffnungslos vermilbt war.


    Die weiß-durchsichtigen Milben sitzen bevorzugt im Kopfbereich und an den Mandibeln:




    Das war der Moment, wo die Freude an der Haltung dieser Art endgültig gebremst wurde. Ich habe eine Behandlung mit dem von einigen schon erfolgreich verwendeten Biosa Pet versucht - trotz mehrtägiger Behandlung in einer kleinen Plastikbox konnte ich keine Besserung feststellen. Also kam für mich nur noch das manuelle Entfernen der Milben infrage. Mit einem mit purem Biosa Pet getränkten harten Borstenpinsel habe ich jede einzelne Arbeiterin ca. 10 Minuten lang gründlich "abgeschrubbt"; mit Erfolg, seitdem bin ich die Milben los.


    Bei der Gelegenheit habe ich die beiden Königinnen wieder getrennt. Die größere Kolonie mit 9 Arbeiterinnen hat gleich das neu vorbereitete Becken bezogen. Keine zwei Wochen später schlüpften die ersten Larven, wodurch ich meine Vermutung eines Konkurrenzkampfes zwischen den Gynen bestätigt sehe.


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  • Das Becken: Nach dem doch sehr unerfreulichen Milbenproblem habe ich sicherheitshalber die gesamte Einrichtung des alten Beckens weggeschmissen und es gründlich gereinigt.


    Überblick über das neue Becken im jetzigen Zustand:



    Das neue Becken beinhaltet ein stehendes Ytong-Nest mit drei großen und tiefen Kammern. Um den Ytong herum habe ich ca. 8cm hoch stark lehmhaltige Erde aufgefüllt, wodurch den Ytong problemlos feuchtgehalten wird (danke an Phil für diesen guten Tipp!). Man spart sich so eine Menge Arbeit mit der Bewässerung und durch den Glasdeckel bleibt die Feuchtigkeit sehr lange im Becken.


    Für ein besseres Aussehen habe ich den Porenbeton mit Lehm überzogen und bemoost. Kann ich nur empfehlen, sieht sehr gut aus.


    Frisch bemoostes Nest:



    Für die Begrünung des Becken sorgen ein kleiner Farn, Sauerklee und verschiedene Moose und Flechten. Letztere werden sehr gerne von
    den Harpegnathos venator eingetragen und die Nistkammern damit ausgekleidet. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Flechten gesundheitsfördernde Stoffe enthalten, so wie einige unserer einheimischen Formica Arten Baumharz eintragen.


    Einblick in das Nest (bewohnt wird momentan die Kammer unten rechts):



    Die Bewohner mit ein paar Larven und erbeuteten Futtertieren:



    Weitere Mitbewohner: In ein Naturbecken gehören natürlich auch diverse Kleinstlebewesen. Asseln, Collembola, einige Tausendfüßler und Tauwürmer übernehmen die Aufgabe der Abfallverwertung zur Vorbeugung von Schimmel. Da ich wie immer Humus direkt aus dem Wald für das Becken verwendet habe, ist die Anzahl an Kleinstlebewesen natürlich sehr hoch und wegen Schimmel muss ich mir keine Sorgen machen (von toten Insekten ist nach wenigen Stunden nur noch die Hülle übrig).


    Verschiedene Springschwänze:



    Hier mit Pheidole spec. beim Bruttransport daneben:



    Außerdem bewohnt eine Pheidole spec. Kolonie das Becken mit, sie dienen ebenfalls der Abfallverwertung und Regulierung der Springschwanzpopulation. Mit einer Größe von kaum 1mm (bzw. bei den Soldaten 2-3mm) sind sie echte Winzlinge und nutzen die Röhren der Regenwürmer als Nest. Regelmäßig sind auch Arbeiterinnen der kleinen im Nest der Harpegnathos unterwegs und zeitweise wird sogar Brut in der Harpegnathos venator Kammer gelagert, die beiden Arten scheinen friedlich miteinander auszukommen.


    Ob die Pheidole Kolonie dauerhaft in dem Becken bleiben kann vermag ich natürlich nicht zu sagen. Da sie samt Königin aber jeden Morgen an die wärmere Seite des Beckens ziehen, wäre es kein Problem sie wieder aus dem Becken zu nehmen falls es widererwartend zu Schwierigkeiten kommen sollte.


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    "Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen." (Jean Anouilh)

  • 05.04.2013


    Hallöchen,


    ich hatte von Camaross zwei Gynen der Harpegnathos venator abgenommen, diese haben den Transport problemlos überstanden.
    Auf dem berliner Ameisentreff hatte ich mich mit Phillip über die Harpegnathos venator unterhalten und Erfahrungen ausgetauscht.


    Interessant finde ich die Beobachtung/Vermutung, dass mehrere Gynen vermutlich sich gegenseitig die Brut wegfressen können. Durch den Wegfall des Milbenbefalls könnte es vielleicht aber auch daran liegen.


    Da ich nun auch zwei Gynen, bisher ohne Milbenbefall, habe, die zurzeit auch beide im RG sitzen, wollte ich nun verfolgen, ob ich ein ähnliches Verhalten beobachten kann.


    Sie haben von mir ein neues Reagenzglas erhalten, welches in einem kleinem Becken gefüllt mir Seramis und Erde liegt. Das Reagenzglas ist mit roter Folie umwickelt. Tempertur liegt um 28°C, nachts sind es um die 20°C. Luftfeuchtigkeit schwankt leider immer etwas sind in der Regel aber min. 70%. Das Becken wird mehrfach täglich besprüht. Zum Aufräumen besiedeln einige (mittlerweile viele) Springschwänze das kleine Becken, die sich auch wohl zu fühlen scheinen und jegliche Reste vertilgen.


    Brut ist schon vorhanden, bisher konnte ich beobachten, dass die eine Gyne fast ausschließlich im RG sitzt, die zweite auch aktiv im kleinen Becken ist. Unterscheiden kann man beide Anhand eines Größenunterschiedes. Der Eingang des RG ist mittlerweile halb verschloßen worden. Weiterhin konnte ich beobachten, dass sich diese Ameisen auch gestört fühlen, wenn Licht durch die rote Folie gestrahlt wird.


    Ich hatte Phillip befragt, ob wir nicht einen gemeinsamen Haltungsbericht verfassen wollen, da ich dies den Erfahrungsaustausch wie ich finde vereinfacht. Er hat nichts dagegen, daher werde ich mich hier nun beteiligen und Fotos werden sicherlich zukünftig noch folgen. :)


    Gruss Steffen

  • Es hat sich einiges getan!


    Leider musste ich feststellen, dass ich die Milben doch nicht losgeworden bin. Außerdem verschwanden zwei der Larven und die verbliebenen wurden nicht versorgt. Es schien als würde sich die Kolonie im Ytongnest zu Tode hungern; der Eingang blieb immer verschlossen,
    und obwohl im Becken genug Heimchen herumliefen wurden nie welche eingetragen.


    Ich habe mich deshalb entschieden, das senkrechte Nest durch ein liegendes auszutauschen, sodass sie das Nest leichter verlassen können.
    Das Nest hatte eine große Kammer und zwei Eingänge. Es wurde allerdings nicht bezogen, stattdessen verschwand die ganze Kolonie unter einem Holzstück. Ich habe mich entschieden, sie dort zu belassen und habe kurzerhand den Ytong wieder aus dem Becken genommen.


    Das war vor inzwischen vier Wochen, und ich bin absolut glücklich. Kurz nachdem die Kolonie unter das Totholz gezogen ist,
    haben sie angefangen zu graben und Erde nach draußen zu schaffen. Seitdem ist jeden Tag starke Bauaktivität zu beobachten
    und es sind drei große, trichterförmige Eingänge entstanden.


    Regelmäßig konnte ich beobachten, wie Heimchen erbeutet und eingetragen wurden. Dabei ließ die jagende Arbeiterin die Beute einfach in den Trichter fallen, wo das Heimchen von anderen Arbeiterinnen angenommen und ins Nest gezerrt wurde.
    An manchen Abenden wurden Futtertiere im zweistelligen Bereich eingetragen, was mir Anlass zu Hoffnung ist. :)


    Außerdem habe ich einiges an Pflanzen aus dem Becken entfernt, vor Allem der Sauerklee wurde mir deutlich zu viel.
    Dafür sind drei tropische Ableger gut angewachsen, so schaut das Becken aktuell aus:



    Schwarz umrandet der Nistbereich der Harpegnathos venator:



    Ameisensuchbild ;) :




    Interessanterweise ist die Vermilbung seit sie im Erdnest leben von alleine stark zurückgegangen, ich konnte nur noch vereinzelt Milben bei den furagierenden Arbeiterinnen beobachten.


    Die kleine Pheidole Art lebt weiterhin problemlos im Becken und hat sich direkt bei den Harpegnathos im selben Stück Holz eingenistet.
    Sie nutzen teilweise die Eingänge von den Harpegnathos mit, ignorieren sich aber gegenseitig glücklicherweise völlig.


    Ich bin gespannt wann ich die ersten leeren Puppenhüllen finde. :)


    LG, Phillip


    Diskussion gerne hier: http://www.eusozial.de/viewtop…rpegnathos+venator#p22692

    "Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen." (Jean Anouilh)

  • Eine Kolonie verschwindet im Urwald


    Inzwischen ist das Becken ziemlich zugewachsen, was mir aber ganz gut gefällt; hier und da ein paar Triebe abschneiden ist natürlich schon nötig. Vom eusozial-Treffen letzte Woche habe ich eine Temnothorax Kolonie mitgenommen, die jetzt hinter dem Dekostein nistet.


    Die eigentlichen Bewohner des Beckens sehe ich in letzter Zeit leider gar nicht mehr, nur die verschwindenden Heimchen und der mal geöffnete mal verschlossene Nesteingang zeigen an, dass die Kolonie noch existiert. Hier liegt natürlich der Nachteil eines Erdnestes, man bekommt nicht ganz so viel von den Ameisen mit. Ich hoffe die Aktivität erhöht sich auf längere Sicht wieder.


    So sieht das Becken inzwischen aus, die Pflanzen sind alle ordentlich am Wachsen:



    LG, Phillip :)

    "Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen." (Jean Anouilh)

  • Nur der Vollständigkeit halber:


    Die Kolonie hat sich im Erdnest ziemlich gut entwickelt. Leider hatte ich davon rein gar nichts mitbekommen, sah monatelang nie eine lebende Arbeiterin. Ich fand zwei- dreimal einzelne tote Arbeiterinnen, das war der einzige Hinweis auf die Kolonie. Irgendwann diesen Herbst dachte ich dann, so kann es nicht weitergehen, da lebt doch gar nichts mehr - und ich grub die Kolonie vorsichtig aus. Ich fand nicht nur die Königin inklusive einiger Arbeiterinnen gesund und munter vor, sondern auch eine ganze Menge Puppen, Larven und Eier.


    Das Ausgraben war jedoch ein gravierender Fehler! Es zeigte sich nämlich leider wieder einmal, dass diese Art sehr empfindlich gegenüber Veränderungen zu sein scheint. Im neuen Ytongnest verschwanden zunächst die Puppen Stück für Stück, dann starben die Arbeiterinnen weg und schließlich auch die Königin. Innerhalb von drei Tagen waren meine geliebten Harpegnathos also alle tot. Ich werde es sicher noch einmal versuchen irgendwann, dann vorerst bin ich durch mit dieser Art.


    Viele Grüße, Phillip :(


    P.S. Soweit ich es in Erfahrung bringen konnte sind die beiden Königinnen, über die Easton hier berichten wollte (s.o.), leider auch verstorben.

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