Chthonolasius?

  • Hallo,


    gestern machte ich beim Beobachten der Ameisenfauna im heimischen Garten eine für mich interessante Entdeckung: Zwischen den Ritzen von Pflastersteinen befinden sich Ausgänge eines Nestes von Lasius cf. niger. Gestern entdeckte ich keine 40cm entfernt frische Hügelchen aus Sand, aus diesen neuen Ausgängen strömten allerdings keine L. cf. niger, sondern gelb-braune Lasius. Ich dachte zuerst an Cautolasius und einen womöglich bevorstehenden Schwarmflug. Da meinen bisherigen Beobachtungen nach die L. cf. niger immer extrem aggressiv gegen Cautolasius vorgingen, war ich schon gespannt, wie sie auf das Auftauchen der Nachbarn reagieren würden. Hier erlebte ich nun eine kleine Überraschung: Sobald eine L. cf. niger-Arbeiterin auf eine der gelb-braunen Ameisen traf, flüchtete sie augenblicklich. Wohingegen die "Neuen" die L. cf. niger komplett ignorierten.


    Ich stelle mir nun die Frage, ob es sein kann, dass sich eine Cautolasius-Kolonie so dominant gegenüber einer L. cf. niger-Kolonie verhalten kann? Oder handelt es sich womöglich um eine Chthonolasius-Kolonie?


    Es war auf jeden Fall sehr interessant, die sonst so dominanten L. niger mal ganz "ängstlich" zu sehen. Ich werde auch versuchen im Laufe des Tages noch ein paar Bilder zu machen (vorhin waren leider keine Ameisen zu sehen).


    Liebe Grüße,
    Christian

  • Hallo,


    zwar zeigten sich mit fortlaufender Stunde wieder ein paar der gelb-braunen Lasius, allerdings nur am Eingang zum Nest. Daher war es mir bisher nur möglich, dieses äußerst mäßige Foto zu machen:


    Zumindest die Färbung sollte einigermaßen erkennbar sein, diese ist weitaus dunkler als bei L. flavus. Auch sind die Arbeiterinnen kräftiger gebaut; von ihrer ganzen Statur her erinnern sie an L. niger-Arbeiterinnen, halt nur anders gefärbt.


    Liebe Grüße,
    Christian

  • Ein braeunlicheres gelb bis orang-gelb, kein sehr helles, klares gelb koennte auf Lasius (chthonolasius) umbratus hinweisen. Diese nutzen durchaus Lasius niger (und Andere) als Wirts-kolonie. Jedoch kann ich selber die Arten kaum unterscheiden. Ich wuerde fast meinen, daß Lasius flavus sich auch gut territorial verteidigen kann und schubweise pheromonale Ueberlegenheit demonstrieren kann. (Insbesondere, wenn Lasius niger nicht im Verband agieren, sondern flockig herumwiebeln.) Das kann ich aber nie mit Bestimmtheit sagen, weil ich die Arten mit letzter Sicherheit nicht bestimmen konnte. Ein hinreichendes Kennzeichen fuer mich liegt in dem Verhaltensunterschied gegenueber Lasius flavus: sie fouragieren auch sporadisch an der Oberflaeche. Jedenfalls interessante Beobachtung, die du gemacht hast, die gerne auch bebildert werden darf.
    Zu Chthonolasius gibt es ja nebst Franks Exposé http://eusozial.de/viewtopic.php?f=26&t=12&p=15 auch eine huebsche Revision von Seifert auf antweb http://www.antweb.org/descript…ame=umbratus&rank=species, die ich selber noch lesen muß. Hab gerade zuviel an Lesestoff. Verwirrend auch: 'Chthono' hat doch eigtl einen griechischen Wortstamm in 'chthonic' in etwa "unter der Erde" und 'umbratus' Latein fuer "Geist" -> Schatten? Man sieht ich bin kein Experte. :think:
    liebe Grueße

  • Sieht für mich auf dem Foto nach Lasius flavus aus, Christian. Die sind keineswegs immer reingelb, sie haben oft bräunliche, ockerfarbene Pigmentierungen. Grösere Arbeiterinnen sind oft dunkler, kleinere heller. Reinfarbiger, gelber sind die umbratus zB.. Sicher kann aber erst man sein, wenn man sich die Jungköniginnen der Kolonie genauer ansieht. Die Könginnen der sozialparasitischen Chthonolasius-Arten haben ja ein charakteristisches Aussehen und unterscheiden sich deutlich von den Könginnen der flavus.
    Wenn solche unterirdisch lebenden Ameisen jetzt aus ihren Nesteingängnen herauschauen, dann bedeutet das meist, dass sie die Umgebung prüfen und bald die Geschlechtstiere entlassen. Ein wenig graben, ohne allzuviel zu zerstören, beschleunigt jedoch das Sehenkönnen der Jungköniginnen, wenn du neugierig genug dafür bist. Mit den Jungköniginnen kannst du dann wenigstens genau bestimmen, ob es Cautolasius oder Chthonolasius sind.
    Nicht zuletzt ein Tip, den Merkur letztens erwähnte. Eine Ameise zerreiben und dran schnuppern... Etwas rüde (ich tue es nicht...:D), aber es hilft ganz sicher bei der Bestimmung. Chthonolasius haben einen zitronigen Duft.


    LG, Frank.

  • Hallo,


    ich danke euch für eure ausführlichen Antworten, Alexander und Frank. Natürlich hast du Recht, Frank, Lasius flavus (und ich denke auch mal L. myops, die beiden sollen ja nahezu nicht unterscheidbar sein) variieren in der Färbung. Und auch Alexanders Bemerkung trifft natürlich zu, in einer von L. cf. niger dominierten Umgebung müssen sich auch die Cautolasius mal durchsetzen, denn ansonsten wäre ein Schwarmflug ja gar nicht möglich. Und genau dieser wird wohl tatsächlich vorbereitet, da ich vorhin die ersten Männchen sehen konnte:


    Sobald sich die ersten weiblichen Geschlechtstiere blicken lassen, werde ich eines auf einen Fototermin einladen (ein schnellerer Zugriff würde bedeuten, dass ich Pflastersteine rausreißen müsste - ich zweifle an dem Verständnis meiner Mitmenschen für ein solches Vorgehen).


    Das Zerquetschen und Beschnuppern von Ameisen überlasse ich dann doch dem guten Merkur. Vielleicht sende ich ihm ja ein paar Exemplare zu, wie ich heute im AP lesen konnte, freuen ihn solche Einsendungen ja sehr. ;)


    Liebe Grüße,
    Christian

  • ich hab bei mir im Garten auch eine Kolonie Lasius cf flavus. Diese scheint in den letzten paar Wochen wohl umgezogen zu sein.
    Das Nest hab ich das erste mal gesehen, als ich einen Trog mit Kompost bei Seite geschoben hab. Es lag noch entlang der Hausmauer in einem etwas trockeneren Bereich des Rasens.
    Inzwischen ist es knapp drei Meter weiter, aber nur ca einen halben meter weiter in den Rasen gezogen. Ein Konkurrenznest, ach von L niger ist nicht in unmittelbarer Nähe. Diese halten sich eher in Pflasternähe oder direkt in der Pflasterfläche.
    Der haufen den sie inzwischen aufgeworfen haben, ist auch inzwischen ganz ordentlich. Vielleicht schwärmen sie ja noch mal heuer.

  • Leider hatte ich bei der Kolonie den Schwarmflug verpasst, so dass es mir nicht mehr möglich war ein weibliches Geschlechtstier abzubilden. Sehr schade, denn ich hätte gerne gewusst, ob es sich nun um Chtonolasius oder Cautolasius handelt.

  • Na ein relativ sicheres Indiz für zB. Chthonolasius umbratus oder mixtus ist, dass die Arbeiterinnen bei reifen, grossen Kolonien immer etwas grösser und kräftiger sind als Lasius flavus und auch als Lasius niger.
    Die Färbung der Arbeiterinnen der Chthonlasius war bei meinen Beobachtungen immer reiner, nicht mit diesen dunklen Pigmentierungen und dunkleren Bereichen, die man bei Cautolasius sieht. Die Chthonolasius sind dabei keineswegs immer hellgelb, es kann auch ins orangefarbene gehen, wie Alex oben schrieb, aber immer relativ gleichfarbig und oft leicht glänzend über den gesamten Körper.
    Den Schwarmflug dieser Arten verpasst man nicht so leicht. Die Kolonien schwärmen über etliche Tage, manchmal, mixtus im sehr späten Sommer und Herbst bei kühler Witterung, über Wochen. Das ist auch die einzige Zeit im Jahr, in der man Chthonolasius-Arbeiterinnen am Tage ausserhalb des Nestes beobachten kann. Solches Verhalten zeigen sie normalerweise nicht, ausser zur Zeit des Schwärmens kommt dieses untypische Verhalten auch bei Chthonolasius vor, deren Nest von fuliginosus übernommen wurde. Hier begleiten dann für eine gewisse Zeit die Hilfsameisen der parasitierten Kolonie, also die eigentlich unterirdisch lebenden Chthonolasius die tagaktiven, furagierenden fuliginosus.


    LG, Frank.


  • Ich moechte noch ein Bild nachreichen, welches Ende August entstand. Die Gynen haben nur mit den Koepfen rausgeschaut. Der Sachverhalt war aehnlich angelagert wie im Eingangspost beschrieben. Eine exakte Bestimmung kann ich leider nicht machen.


    Die Arbeiterinnen liefen sehr ruhig und wachsam, dicht gedraengt, standen teilweise und fuehlerten die Umgebung. Die wenigen, sichtbaren Lasius niger hielten großen Abstand. Eine hab ich an den Ereignishorizont gesetzt und konnte sehen, wie effektiv sie von der gelben Flut eingezogen und gezielt bekaempft wurde, ohne daß Panik ausbrach. Die Beobachtung und der Paarungsflug wurde dann durch einen staerkeren Regenguß unterbrochen.

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