Gemeinsamer Haltungsbericht über Arten der Gattung Diacamma


Post 35288 - 08.07.2015 16:09:06

Gemeinsamer Haltungsbericht über Arten der Gattung Diacamma


Hallo liebes Forum,


ich möchte hier gerne einen gemeinsamen Haltungsbericht über diese wunderbaren Urameisen starten. Wie der Name schon sagt, soll es hier nicht um eine bestimmte Art, sondern um die gesamte Gattung gehen. Daher ist jeder Halter einer Diacamma -Kolonie herzlichst eingeladen sich zu beteiligen.


Weiterhin wäre es auch schön, wenn es in diesem Thread nicht nur um die Haltung alleine geht, sondern auch von Freilandbeobachtungen oder (neuen) wissenschaftlichen Erkenntnissen über diese Gattung berichtet wird.


Die zur Unterfamilie der Urameisen (Ponerinae) gehörende Gattung Diacamma umfasst ca. 30 Arten und Unterarten, welche in Indien, Südostasien und Australien beheimatet sind. Die Größe der Kolonien ist recht klein; für gewöhnlich nur 100-200 Individuen.


Bei den Arten dieser Gattung gibt es keine Königinnen-Kaste. Die Aufgaben einer Königin übernehmen begattete Arbeiterinnen, die sogenannten Gamergaten. Dies bedeutet, dass alle weiblichen Tiere nach dem Schlüpfen gleich aussehen. Im Gegensatz zu den Männchen sind sie auch nicht geflügelt. Dort, wo man die Flügel vermuten würde, haben die weiblichen Tiere rot gefärbte Anhängsel, die als Gemmae bezeichnet werden. Wie diese entstanden sind, ist noch nicht abschließend geklärt worden.


Innerhalb einer Kolonie findet man aber (für gewöhnlich) immer nur eine weibliche Ameise mit diesen Gemmae. Hierbei handelt es sich um die Gamergate, welche all ihren frisch geschlüpften Töchtern die Gemmae abbeißt. Diese werden dadurch unwiderruflich zu Arbeiterinnen; könnten also auch nicht mehr begattet werden.


Neue Kolonien werden durch Abspaltung gebildet. Hierbei verlässt die Gamergate mit einem Teil der Arbeiterinnen das Nest und lässt die übrigen Arbeiterinnen und Puppen zurück. Die daraus schlüpfenden weiblichen Ameisen beißen sich gegenseitig die Gemmae ab, bis nur noch ein Tier mit diesen Anhängseln übrig ist; dies ist die neue Gamergate. Für gewöhnlich verlässt diese dann das Nest und lockt über Duftstoffe Männchen an um sich begatten zu lassen. Von einigen Arten wird aber auch berichtet, dass fouragierende Arbeiterinnen Männchen einsammeln und sie für die Begattung ins Nest bringen. Ein gemeinsames Schicksal teilen sich die männlichen Vertreter dieser Gattung allerdings: Während der Paarung, die oftmals sehr lange dauert, werden sie von der Gamergate (und den Arbeiterinnen) getötet.


Wie für Urameisen eigentlich üblich, ist das Verhalten der Ameisen dieser Gattung recht urtümlich. Die Arbeiterinnen fouragieren alleine und erjagen mit Hilfe ihres Wehrstachels lebende Beute; allerdings wird auch Aas angenommen.


Das soll es erstmal mit dieser kurzen (und sicherlich nicht vollständigen) Einführung gewesen sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn es eine rege Beteiligung an diesem Thread geben wird.


Liebe Grüße,
Christian



Post 35289 - 08.07.2015 16:42:31

Moin,


dann fange ich auch mal an. Ich halte aktuell eine Kolonie Diacamma rugosum, über welche ich auch schon hier im Forum berichtete. In dem HB findet man alle bisherigen Informationen zu der Kolonie.


Aktuell entwickelt sich die Kolonie weiterhin sehr gut. Zwar habe ich keinerlei Einsicht in das Nest, würde aber aufgrund der Außenaktivität die Zahl der Arbeiterinnen auf ca. 40 schätzen. Es können aber auch schon deutlich mehr sein.


Momentan bauen die Ameisen einen großen Krater um den Eingang des Nestes. Die Bromelie, unter der sich das Nest befindet, wird dabei komplett mit einbezogen. Das folgende Video zeigt eine Arbeiterin bei der Suche nach Material zum Bau des Kraters. Weiterhin kann man auch sehr schön das ritualisierte Verhalten beim Aufeinandertreffen zweier Arbeiterinnen sehen. Hierbei schlagen sie sehr schnell mit ihren Fühlern gegeneinander:


https://www.youtube.com/watch?v=CEZZisg1tQY


Im zweiten Video für Heute sieht man eine Arbeiterin bei der Aufnahme von Invertzucker-Sirup. Da Diacamma keine Trophallaxis betreiben, wird ein Tropfen zwischen den Mandibeln aufgenommen und ins Nest transportiert. Dort können dann die anderen Ameisen von diesem Tropfen trinken. Bei der Aufnahme des Tropfens zeigt sich zwischen den einzelnen Arbeiterinnen ein deutlicher Unterschied: Manche scheinen geschickter zu sein und erledigen es innerhalb weniger Sekunden. Andere, wie die Ameise im Video, sind weniger geschickt und brauchen deutlich länger.


https://www.youtube.com/watch?v=ZVsV_pUtSYg


Ob es einfach geschickte und ungeschickte Arbeiterinnen gibt, oder es etwas mit unterschiedlicher Erfahrung zu tun hat, kann ich nicht sagen.


Liebe Grüße,
Christian


PS: Einen Diskussionsthread für diesen gemeinsamen HB halte ich für wenig sinnvoll. Daher einfach alles munter hier in den Thread schreiben!



Post 35297 - 09.07.2015 06:47:51

Guten Morgen, :servus:


Ich kann noch nicht ganz so viel erzählen, da ich die kleinen erst seit ca. 1 1/2 Wochen habe aber ich fange mal an....


Also ich halte Diacamma rugosum, als die Kolonie bei mir ankam war sie etwa 20 Frauen stark. Leider war keine brut vorhanden. :(
Nach dem ich sie nach dem Auspacken begutachtet hatte, wurden sie direkt in ihr neues Zuhause gestellt.
Es handelt sich hier bei um ein 50x30x30 cm großes Tropenbecken. Ich hab mich entschlossen ihnen kein Nest vorzugeben und wollte, dass sie sich den besten Platz selbst suchen und loslegen. :D


Zurzeit sind die Tagestemperaturen zwischen 24 - 28 °C und es herrscht eine Luftfeuchtigkeit von 65 - 85 %, je nach dem wann das letzte mal bewässert wurde. ( Aber am Boden ist es meist eh feuchter und kühler.) Nachts sinken die Temperaturen auf etwa 20 - 22 °C.


Zu den Tieren kann ich bis jetzt sagen, dass sie echt toll aussehen und ihr Verhalten ist zu super zu beobachten, vor allem wenn sie miteinander über ihre Fühler kommunizieren. Das Jagdverhalten könnt ich bis jetzt nicht beobachten, da sie noch kein Lebendfutter bekommen haben.
Außenaktivität war bis jetzt immer vorhanden, egal wann ich ins Becken schaue rennen dort 1- 3 Arbeiterinnen rum und erkunden das Becken, manchmal auch mehr.


So, jetzt zum Umzug der kleinen..... (bzw. Einzug)
Als ich das Reagenzglas ins Becken stellte und es öffnet rannten mir sofort eine Horde Arbeiterinnen entgegen die das Umfeld erkundeten, nach wenigen Minuten stand fest, dass sie Interesse an einem Stück Schwarztorf hatten unter dem immer mehr Arbeiterinnen verschwanden. Ich freute mich, denn so war es von mir auch angedacht: :D
Aber wie man Ameisen kennt, machen sie nie das, was man möchte :bash:
Also schaute ich abends nochmal ins Becken und sah keine Ameisen mehr am Fouragieren, ich macht mir erst keine Sorgen aber nach gründlicher Suche konnte ich einfach nichts finden im gesamten Becken. Bis ich dann aus Zufall auf die Seitenwand schaute (Rückwand+Seitenwände aus Styropor und Weißtorf zu Terrarienwänden umgebaut ) und dort sitzen sie. Sie haben sich an der Frontscheibe eine kleinen Tunnel nach und bis zum Seramis und dann hinter die Wand gegraben. Dort verweilen sie bis heute . Sie bauen ihren Tunnel mittlerweile zu einer Höhle aus, die nach hinten weg geht. Denke, dass dies ihr Nest wird und der Gang zur Rückwand nur ein versehen war :D. Oben am Tunnel Eingang sitzen immer zwei Arbeiterinnen die den Eingang bewachen. Währenddessen baut eine Arbeiterin am Eingang eine Art Schutzwall, sieht aus wie ein Krater bin gespannt, wie es weiter geht. (Es ist schwierig zu beschreiben, werde Versuchen die Tage Bilder nachzureichen :sorry: )


Alles in allem sind es wunderschönen Tiere und ich werde weiter berichten. Bin jetzt aber erstmal im Urlaub und hoffe, dass sie alles gut überstehen.


Mit freundlichen Grüßen


Frederik



Post 35300 - 09.07.2015 08:16:37

Moin Frederik,


freut mich, dass Du Dich hier beteiligst!


Als ich meine Kolonie (ähnlich groß wie Deine) erhalten habe, war abgesehen von einer Larve auch keine Brut vorhanden. Diesbezüglich brauchst Du Dir also Gedanken machen. Sie sollten recht schnell loslegen und alsbald eine nahezu unstillbares Verlangen nach Proteinen zeigen. ;)


Was das Nest angeht, so sind die meisten Diacamma -Arten wohl sehr flexibel und ziehen auch häufig um. So berichtete Phillip Gronski, dass er in Malaysia sogar eines in einem alten Schuh fand.


Diesen Erdkrater legen sie ja auch bei mir an, und erweitern ihn auch stetig. Werde bei meinem nächsten Bericht auch Bilder davon einstellen.


Liebe Grüße,
Christian



Post 35844 - 03.09.2015 11:04:29

Hier ein Video, dass die Ameisen beim Eintragen einer Wachsmade zeigt:


https://www.youtube.com/watch?v=6I3tlcuNirM



Post 37266 - 01.02.2016 11:02:32

Gibt es bei den Arten der Gattung Diacamma eine Königinnen-Kaste?


Im AP empört sich ein besorgter Myrmekologe:


Immer wieder wird in Foren behauptet, dass es bei Diacamma keine Königinnenkaste gebe, weil eine Arbeiterin („Gamergate“) die Funktion der Eierlegerin übernehme, und dass man die Gamergate nicht von den Arbeiterinnen unterscheiden könne.


Durch eine kurze Recherche im Netz gelangt man zum Beispiel ins AntWiki. Im dortigen Artikel über diese Gattung ist zu lesen:


Diacamma colonies are queenless, with reproduction instead being performed by a single mated gamergate worker (Wheeler & Chapman, 1922; Peeters & Higashi, 1989). Several other ponerine lineages have similarly lost the queen caste, but the control of reproduction in Diacamma is unique among ants. All Diacamma workers eclose with a pair of novel thoracic appendages called gemmae (Tulloch, 1934). In virtually every Diacamma species studied (see below for the one known exception), the presence of intact gemmae causes a worker to become sexually receptive and ultimately a gamergate (Peeters & Higashi, 1989; Cuvillier-Hot et al., 2002). Loss of the gemmae, however, causes an individual to become a normal worker (Allard et al., 2005). The acting gamergate in a colony therefore mutilates the gemmae of newly eclosed workers and thereby maintains its reproductive dominance (Peeters, 1993). The social and reproductive conflicts in Diacamma colonies were reviewed by Monnin & Ratnieks (2001).


Die wichtigsten Begriffe/Stellen habe ich fett hervorgehoben. Laut diesem Artikel gibt es bei den Arten der Gattung Diacamma eben keine Königinnen-Kaste, wie ich es im Startbeitrag dieses Haltungsberichtes auch schrieb.


Was ist nun richtig? Eine gute Frage: Die Antwort wird wohl immer von den jeweiligen Definitionen abhängig sein. Ich persönlich finde jedenfalls die Auffassung im AntWiki-Artikel sehr einleuchtend, da es zwischen den weiblichen Individuen keine morphologischen Unterschiede gibt; erst das Abbeißen der Gemmae führt nämlich zu einem solchen.


Edit: Wie nicht anders zu erwarten war, hat sich Merkur im AP noch einmal zu Worte gemeldet. Selbst unter Myrmekologen herrscht keine Einigkeit darüber, ob man Kasten streng nach morphologischen Aspekten definieren sollte. Merkur sieht das nicht so. Natürlich schließt er daraus, dass seine Sichtweise die einzig richtige Sichtweise ist. Merkur hat eben immer Recht; bestimmt haben sie im AP auch geschwind eine Statistik zur Hand, die dies belegen wird.


Merkur fordert von den Ameisenhaltern ja immer (unberechtigterweise!) wissenschaftliche Korrektheit. Es ist allerdings alles andere als wissenschaftlich korrekt, wenn man bei umstrittenen Sachverhalten die eigene Meinung als die alleinig richtige darstellt, ohne überhaupt zu erwähnen, dass es auch andere Meinungen gibt. In diesem Sinne dann auch noch Benutzern anderer Foren vorzuhalten, dass sie sich an den Interpretationen anderer Experten orientieren (nach einem Experten muss man sich schließlich richten), zeigt deutlich, mit was für einem Charakter man es zu tun hat.


Aber keine Sorge Merkur, die Welt dreht sich nur um dich alleine. Einfach weiter fest dran glauben und alles wird gut. ;)



Post 37270 - 01.02.2016 19:19:24

Hallo Christian,


wenn Du Dich an Peeters Auffassung orientierst, machst Du sicherlich nichts falsches. Er ist die große Persönlichkeit in der Myrmekologie wenn es um Ponerinen geht. Natürlich wäre auch Buschingers Auffassung korrekt, und in einer wissenschaftlichen Arbeit sollte man stets angeben, an welcher Definition (über Funktion oder Morphologie) man sich hält, sonst kommt es zu (scheinbar) widersprüchlichen Aussagen, und gerade jemand der in dem Thema nicht so belesen ist, ist schnell verwirrt oder macht fehlerhafte Interpretationen.
Ich glaube Du hast ihn aber falsch verstanden - er wollte Dir keinesfalls einen eindeutigen Fehler ankreiden (sein Thread-Titel lautet ja auch "Königinnen bei Diacamma - Ja und Nein") , sondern eben über die grundsätzliche Problematik aufklären. Nirgendswo behauptet er dort, seine Meinung wäre die "einzig wahre".

Grüße, Phil



Post 37271 - 01.02.2016 19:43:45


Nirgendswo behauptet er dort, seine Meinung wäre die "einzig wahre".


Im AWiki steht es richtig


Wenn der dortige Artikel, der seine Auffassung vertritt, richtig ist, muss die andere Auffassung folglich falsch sein. ;) Aber natürlich hat Merkur immer nur gute Absichten. :thumbup:


Alleine schon der Anfang seines Beitrages:


Immer wieder wird in Foren behauptet, dass es bei Diacamma keine Königinnenkaste gebe


Dies ist keine Behauptung, sondern entspricht offensichtlich der Meinung vieler Experten. Und wiss. korrekt wäre es eben gewesen daraufhin zu weisen, dass es verschiedene Auffassungen/Definitionen gibt.


Schlussendlich spielt es für die Haltung aber einfach mal gar keine Rolle. Gerade da einem Inkonsistenz in der Myrmekologie überall begegnet. Alleine die uneinheitliche Verwendung der -us und -a Endungen würde mich total wahnsinnig machen. Von dem ganzen taxonomischen Wirrwar mal ganz abgesehen. ;) Aber gegen Händler hetzen, weil mal ein Artname falsch geschrieben wurde. :bash:


Aber das geht nun weit am Thema "Diacamma" vorbei und sollte vielleicht mal in einem gesonderten Thread thematisiert werden.



Post 38098 - 11.04.2016 11:08:18

Tag zusammen,


Nach langem möchte ich mich auch mal wieder melden. :D


Es gib leider nicht so viel zuberichten, da mir nach dem ersten Brut schlupf auffiel das Männchen im Becken waren. Erst machte ich mir keine sorgen, da ich gehört habe das es vorkommen kann das Männchen mal dazwischen sein können.
Aber nach dem die 2. und 3. Brutwelle scheinbar wieder nur Männchen hervorbrachte, denke ich das die Gamergate nicht befruchtet war bzw. sie verstorben ist.


Ich kann das aber nicht mit voller Gewissheit sagen da dass Zählen der gesamten Kolonie durch die versteckte Nest Wahl fast unmöglich ist. Aber durch ständiges schwärmen von Männchen und keiner steigenden Außenaktivität muss ich schlussfolgern das die Kolonie keine Gamergate enthält. :(


Da mir diese Art sehr gut gefallen hat werde ich mir im kommenden Sommer wohl eine weiter Kolonie zulegen in der Hoffnung das dann alles klappt.


Grüße


Fredi