Hallo liebe Forengemeinde,
der Frühling kommt und es wird wieder Zeit einen neuen Reisebericht zu verfassen. Diesmal habe ich willkürlich ein Ziel auf meinem guten alten Pip-Boy geklickt und mich per Schnellreise zum erst besten Ziel aufgemacht. So kommt es, dass ich meinem normalen Reiseziel Kroatien untreu geworden bin und in den warmen südlichsten Süden Portugals aufgemacht; Die Algarve.
Die Algarve ist ein sehr abwechslungsreiches Gebiet, welches häufig von Waldbränden heimgesucht wird und unter einigen invasiven Arten leidet, welche das Erscheinungsbild sehr stark prägen. Das Gebiet ist sehr stark hügelig und der Bodengrund stets stark hüglich mit nur sehr geringen Erdschichten.
Die größte Fläche des nicht wirtschaftlich genutzten Landes ist von Wiesen bedeckt, sofern genügend Erde vorhanden ist. Diese können teilweise sehr feucht sein, da die Region von zahlreichen Flüssen durchzogen ist, weswegen ein steppenartiges Erscheinungsbild seltener ist.
Die dominantesten Ameisen auf diesen Wiesen sind mit großem Abstand Tapinoma nigerrimum. Diese teilen sich mit einigen anderen Ameisenarten die Ökologischeniesche, welche in kühleren Regionen Pheidole pallidula einnimmt. Es sind kleine schwarze Ameisen mit einem flinken Rekrutierungsverhalten und einer sehr guten chemischen Abwehr. Die Nester werden gigantisch und können zahlreich und mühelos im Feld gefunden werden.
Teilweise kann man Nester finden, welche einen 30cm hohen überirdischen Teil haben. Der unterirdische Teil der Nester fällt dabei allerdings häufig eher klein aus. Die Nester sind den in Deutschland einheimischen Tapinoma Arten sehr ähnlich aufgebaut und die Entstehung ist auch sehr ähnlich.
Nachdem die Königin claustral flach unter der Erdoberfläche gegründet hat und die ersten paar dutzend Arbeiterinnen vorhanden sind, fangen die Ameisen an, einen kleinen überirdischen Bau aufzutragen.
Dieser wird meist aus biologischem Material und weniger aus Erde aufgehäuft.
So werden die Nester ausgebaut, bis einige hundert Arbeiterinnen vorhanden sind, allerdings steigt der Erdanteil im Laufe der Zeit deutlich, da die Ameisen vermehrt anfangen zu graben und mit dem Aushub das Nest zu erweitern.
Die ausgewachsenen Nester sind schließlich nur noch aus Aushub vom Graben zusammengesetzt.
Häufig kann man diese an Pflanzen oder Steinen finden aber freistehende Nester kommen ebenfalls vor.
Tapinoma nigerrimum Nesthügel werden übrigens selbst nach starken Regenfällen repariert und bestehen längerfristig, nicht wie etwa bei Tapinoma erraticum die sich nach fast jedem Regen einen neuen kleinen Hügel bauen müssen.
So wie andere Ameisenarten mit großen Kolonien legen Tapinoma nigerrimum dauerhafte Straßen zu langfristigen Futterquellen an. Häufig kann man die Ameisen an den Blüten von Wüstenrosen, Obstbäumen und anderen Pflanzen beobachten.
Tapinoma nigerrimum bevorzugen allerdings für Portugal eher feuchte Habitate. Besonders häufig kann man die Ameisen an Flussufern finden, beackerten Feldern und Gärten. Diese Tatsache und die Überlegenheit im Kampf mit anderen Ameisen macht Tapinoma nigerrimum zum häufigsten Kulturfolger in der Algarve.
Die Schwarmflüge laufen überraschend unauffällig ab, vereinzelt kann man Königinnen herumlaufen sehen. Es scheint, dass die Königinnen nach der Begattung noch weite Strecken zu Fuß zurücklegen oder sogar schon am oder im Nest begattet werden (wie es etwa bei Tapinoma erraticum der Regelfall sein soll).
Andere Arten mit ähnlicher Futterbeschaffungsstrategie werden von den riesigen Tapinoma Nestern in einigen Habitaten komplett verdrängt. Etwa konnte ich nur ein einziges mal in einem eher kühlen Wald einige Pheidole pallidula Nester entdecken. Die Art fehlt in den meisten Habitaten gänzlich, im krassen Gegenteil zu Kroatien, wo diese eine der häufigsten Arten darstellt.
Ähnlich ergeht es Crematogaster scutellaris, unserer lieben hasserfüllten Ameise mit dem herzförmigen Hintern oder Crematobastards, wie manch Feldforscher diese nennt (ich glaube Mark Moffet hat den Begriff geprägt?). Ich kann nicht gerade sagen, dass ich diese Art besonders vermisst hätte. Wer schon mal eine walnussgroße Eichengalle aufgebrochen hat und von eintausend recht entrüsteten und gerade obdachlos gemachten Crematogaster scutellaris Arbeiterinnen überrannt wurde, kann meine fehlende Sentimentalität zu der Art glaube ich verstehen.
Aus welchem Grund die Art nur marginal vorkommt ist schwer zu sagen. Sicherlich ist die Konkurrenz von anderen Ameisen mit ähnlicher Jagdstrategie recht hoch, allerdings ist dies auch in Kroatien der Fall, wo diese Ameisen überall zu finden sind. Das Fehlen von Eichengallen (eine Gallwespe die Korkeichen befällt scheint es nicht zu geben), dem bevorzugten Gründungsort von Crematogaster scutellaris, kann mitbeteiligt sein, allerdings können Crematogaster scutellaris fast überall gründen, solange es Holz ist.
In der Rinde von Korkeichen waren deutlich weniger Nester zu finden, als ich vermutet hatte.
Die andere Crematogaster Art in Portugal allerdings war häufig zu finden und in fast jedem Habitat, nur in dichten Wäldern fehlten diese. Crematogaster auberti, erinnern von Wesen etwas an Lasius fuliginosus und haben auch einen leichten Eigengeruch. Die Ameisen sind im Nest sehr ruhig und bleiben teilweise regungslos sitzen, wenn man das Nest öffnet (die Nester sind meist unter Steinen). Ruhig begeben die Arbeiterinnen sich in ein tiefergelegenen Tiel des Nestes oder in ein anderes Zweignest. Zweignester hat Crematogaster auberti übrigens meist sehr viele.
Lange Straßen, wie ihre baumbewohnenden Verwandten, legt Crematogaster auberti auch an, allerdings furagiert diese Art eher am Boden.
Eine im Freien eher unauffällige Art, zwar bildet Crematogaster auberti sehr große Nester, aber zumindest im Frühling kann man sie selten beobachten.
Crematogaster auberti kommen selten als Kulturfolger vor und bevorzugen vollsonnige Habitate, Lehmboden. Dichte hohe Vegetation und Wälder werden gemieden.
Neben den ausladenden Wiesen und Feldflächen kann man in Portugal auch Mischwälder antreffen, welche allerdings durch die häufigen Waldbrände und die dünne Bodenschicht sehr selten sind, allerdings was die Ameisenvielfalt und Koloniedichte angeht sehr interessant. Eine Vielfalt von Camponotus Arten bewohnt diese Wälder aus Korkeichen und Fichten. Camponotus ruber, Camponotus pilicornis, Camponotus barbaricus und vor allem die eindrucksvollen Camponotus cruentatus.
Zwar waren Camponotus cruentatus selten zu finden, eher an schattigen und wasserreichen Standorten, allerdings war die Koloniedichte sehr hoch, wenn die Ameisen schon vorkamen. Einige Male konnte ich wegen den dichten Populationen dieser Art auch ritualartige Kämpfe beobachten.
Diese konnten teilweise lange Zeit andauern, teilweise über 15 Minuten.
Bei diesen Kämpfen verbeißen sich zwei kräftige Arbeiterinnen von unterschiedlichen Kolonien in den Mandibeln und es kommt zu einer Art Ziehwettkampf, der nicht von anderen umgebenden Arbeiterinnen gestört wird.
Andere Camponotus Populationen waren bei weitem nicht so dicht, eher fand man diese nur selten durch Zufall. Etwa die entzückende Camponotus ruber, die moppeligste Camponotus Art, die ich je gesehen habe. Diese Ameisen legen kleine Nester unter Steinen an und sind hauptsächlich in Wäldern oder zumindest an Bäumen zu finden.
Teilweise in Kammern von Termitennestern. Dies liegt wahrscheinlich eher an ähnlichen Ansprüchen an den Nistplatz und nicht daran, dass Camponotus ruber besonders intensiv Termiten jagen.
Eine eher zurückhaltende Art und scheint nachtaktiv zu sein.
Deutlich häufiger waren Camponotus barbaricus zu finden. Die dunklen Ameisen bilden Kolonien mit sehr zahlreichen Zweignestern, in denen teilweise nur wenige Arbeiterinnen und Brut zu finden sind. Leben in jedem Habitat, bevorzugen allerdings lichte Wälder.
Die schönste der Camponotus Arten war allerdings Camponotus pilicornis, welche mich sehr an die australische Camponotus nigriceps erinnert hat. Eine schlanke honiggelbe Art. Die Arbeiterinnen sind sehr flink und furagieren eher alleine.
Obwohl mir diese Art optisch am besten gefallen hat, habe ich leider keine brauchbaren Fotos machen können, da man diese nur selten zu Gesicht bekommen hat.
Gruß,
Kaj.