Adoption einer weisellosen Kolonie

  • Hallo liebes Forum,



    ich möchte euch heute etwas schildern was mir schon vor ein paar Jahren genauso passiert ist, damals allerdings mit Messor arenarius.
    Heute geht es allerdings um die Art Manica rubida, von der ich 3 JungKolonien "hatte".


    Fangen wir erstmal mit den traurigen Fakten an, eine Kolonie hat wärend ihrer ersten Winterruhe ihre Gyne verloren sie lag zusammengekrümmt im Nest.
    Dem Rest der Kolonie geht es scheinbar gut, viele Arbeiterinnen und Larven..... es war ärgerlicherweise auch die potenteste Kolonie.


    Wir haben also eine Kolonie A mit 5 Larven und 12 Arbeiterinnen (weisellos/tote Gyne allerdings noch im Nest)


    Dann haben wir noch die schwächste der drei Jungkolonien, die gyne hatte beim Transport zu mir ihr Brut verloren und dann im zweiten Anlauf 4 Arbeiterinnen aufgezogen, das ist Kolonie B.


    Vorgehensweise:
    Kolonie A wurde aus dem Nest geschüttelt in eine (neue) kleine Arena, die tote Gyne wurde entfernt, ein Nest wird nicht angeboten, Wasser und Zuckerwasser sind vorhanden


    Am besten man wartet dann eine zeit, ich habe damals bei den arenarius Monate gewartet und auch gebraucht bis sich die Gerüche/Kohlenwasserstoffe verflüchtigt hatten und es kein aggressives
    Verhalten mehr gab wenn ich eine Arbeiterin überführte ( dann sollte man für die weisellosen allerdings ein Nest anbieten)


    Mann nimmt nun vorsichtig eine Arbeiterin aus der Kolonie A und setzt sie zu Kolonie B, wenn genug Zeit vergangen ist passiert bei mir folgendes:


    Die Arbeiterin A nimmt die Spur des Nestes B auf und geht zielgerichtet in das ihr fremde Nest. Stößt sie dabei auf eine Arbeiterin aus dem fremden
    Nest duckt sie sich in unterwürfige Haltung auf den Boden, selbst wenn sie aggressiv angegangen wird lässt sie das ruhig über sich ergehen und stellt sich Tod,
    lassen die Aggressionen nach macht sie sich wieder auf, tiefer ins Nest und ab zur Gyne.
    Dort angekommen sucht sie intensiven Körperkontakt und zeigt ein auffälliges Putzverhalten (übernahme Koloniegerucht/Kohlenwasserstoffe?)


    Bei den messor arenarius hatte ich damals Monate gewartet und es gab keinerlei Aggressionen, die 4 Arbeiterinnen der Kolonie B waren eher verdutzt über die Verstärkung


    Die kriegerischen Manica sind da anders, zwei der Damen haben jetzt über zwei Stunden versucht die Arbeiterinnen A aus dem Nest zu tragen, das lassen die Arbeiterinnen A auch ruhig mit sich machen (Todstellung) stehen aber direkt wieder auf und laufen mit der Ameise die sie herausgetragen hat wieder rein... so stell ich mir eine nicht erfüllende Tätigkeit vor :P
    Ich denke aber spätestens morgen hat sich der Koloniegeruch angeglichen und die Adoption ist erfolgreich.


    Die weisellose Arbeiterin weiß also irgendwann das sie weisellos ist und sucht gezielt nach einer Kolonie um dort adoptiert zu werden ?!?
    Was meint ihr dazu habt ihr schon ähnliche Erfahrungen gemacht oder habt ihr andere Ansätze ?


    MFG Andre

  • Hallo Andre,


    interessante Experimente. Bei der Interpretation muss man natürlich sehr aufpassen, derartige Dinge passieren so wahrscheinlich nicht oder nur extrem selten in der Natur - weshalb kaum natürliche Selektion auf das Verhalten der Arbeiterinnen nach dem Tod der Königin wirken; dadurch sind die Ergebnisse bzw. die Verhaltensweisen der Tiere hochvariabel und es können viele vermutlich nicht näher zu erklärende Verhaltensweisen auftreten. Kurz gesagt, ich glaube nicht, dass eine weissellose Arbeiterin gezielt nach einer Kolonie sucht um adoptiert zu werden.
    Wenn die Königin in einer Kolonie stirbt, hat das viele Folgen; in der Regel wird durch das Königinnenpheromon zum Beispiel die Fertilität von Arbeiterinnen unterdrückt (neben vielen weiteren möglichen physiologischen Auswirkungen). Die Fertilität wiederum hat Auswirkungen auf den Duft der einzelnen Arbeiterinnen, und diese ändern sich (wahrscheinlich auch bei Arten, deren Arbeiterinnen keine Eier mehr legen können); vermutlich steigt die Variabilität im Kolonieduft nach einiger Zeit der Weisellosigkeit innerhalb der Kolonie an (denkbar ist auch ein direkter Einfluss der Königinnenpheromone auf das Profil, der plötzlich fehlt), was wiederum zur Konsequenz hat, dass nicht mehr effektiv zwischen Kolonieangehörigen und Koloniefremden Tieren unterschieden werden kann (Achtung: Ich kann das nicht belegen, das sind nur Vermutungen).
    Weiterhin denkbar wäre zum Beispiel auch eine Aggressionsmodulation über Nesterkennung; Aggression bei Ameisen ist sehr stark kontextabhängig (zum Beispiel sinkt die Aggression je weiter weg vom Nest sich eine Arbeiterin befindet); in deinem Versuchsaufbau hälst Du die Ameisen außerhalb ihres ursprünglichen Nestes, dies hat also vielleicht ihre Aggression herabgesenkt. Denkbar wäre zum Beispiel auch, dass für eine richtige Nestwahrnehmung auch das Königinnenpheromon eine Rolle spielt.
    Außerdem kann man Aggressionen zum Beispiel durch geringe Temperaturen herabsenken, der Trick wird gerne genutzt für eine bessere Adoption bei sozialparasitären Lasius Königinnen. Vielleicht kannst Du das in künftige Adoptionsversuche integrieren.
    Der Ausgang solcher Versuche ist sicherlich sehr stark artabhängig.


    Grüße, Phil

  • Hey Phil,


    danke für deine Einschätzung zu dem Thema.
    Es ging mir nicht darum allgemeingültige Regeln aufzustellen, sondern eher Beobachtungen unter Laborbedingungen zu schildern.


    Es sind auch eher Fragen die ich aufwerfen möchte als mich hinzustellen und etwas felsenfest zu behaupten, deswegen freue ich mich auf über den Austausch mit dir.


    So genug der schönen Worte zum Thema:


    Nett das du es ansprichst: die unterdrückte Arbeiterinnenfertilität konnte ich bei den arenarius beobachten, die haben nach den besagten Monaten selbst ein paar Eier gelegt,
    so wenige das ich vermutet habe das sie von (nur) einer Arbeiterin stammen, leider war ich zu der zeit beruflich unterwegs und konnte mich wenig mit diesem Thema befassen.


    Die Vermutung das durch die Abwesenheit der Gyne die Variabilität im Kolonieduft und somit die Trennung zwischen Eigen und fremd beeinflusst wird finde ich sehr interessant, muss aber sagen es erscheint mir schon so dass die weisellose Kolonie sich noch als Einheit empfindet und auch die Kolonie mit gyne als "andere" einheit wahrnimmt, vielleicht wittern sie sogar das sich in dieser Kolonie eine gyne befindet ( Vermutung )


    Sobald sie die "Witterung" der gyne und des Nestes aufgenommen hatten suchten sie es gezielt auf,beleckten die gyne ( war bei den arenarius gut zu beobachten) und putzten sich danach eifrig.
    (was mir grade einfällt diesen Aufbau müsste man mit zwei weisellosen Kolonien wiederholen und schauen ob eine weisellose Arbeiterin genauso zugang zu einem anderen weisellosen Nest sucht und ob sie dort vielleicht Arbeiterinnen beleckt)


    Gegen den Punkt der Aggresionsmodulation über Nesterkennung spricht dass ich eine Arbeiterin aus Kolonie B genommen habe und sie in die Arena zu den weisellosen Arbeiterinnen A gesetzt habe ( es
    war diejenige die sofort und ohne Pause Arbeiterinnen A aus ihrem Nest B
    getragen hat, sie hat dort 30 Minuten damit verbraucht die gesamte weisellose Kolonie A zu mobben bis ich sie wieder zu ihrer Kolonie gesetzt habe wo sie weiter mobbte und fleißig die neuen aus dem Nest geschmissen hat (eine wirklich garstige Dame)


    Sie war also scheinbar genauso mies drauf egal ob sie im oder an ihrem Nest war, oder in einer ganz anderen Umgebung ohne Nest ( eine einzelbeobachtung ;) )


    Nebenbei es ist für mich doch immer wieder erstaunlich welche Wesen-zügel und Unterschiede im Verhalten die verschiedenen Arbeiterinnen aufweisen können. Während zwei Arbeiterinnen der Kolonie entspannt
    blieben, wollte zwei keine Zuwanderung, wobei wenn ich drüber nachdenke könnte das auch nur der Aufgabenverteilung geschuldet sein und die zwei entspannten waren zB. Brutpfleger und Security nicht ihr Aufgabengebiet.



    Danke
    für den Tipp, diese positive Erfahrung habe ich letzten Winter machen dürfen, leider ist auch die Temperatur kein Allheilmittel, meine Adoption bei der Mutterkolonie lasius fuliginsos ist fehlgeschlagen, meine Adoption bei Formica fusca ebenso... dort handelte es sich allerdings auch um potente Kolonien in denen gynen adoptiert werden sollten (also anderer Ansatz)


    Ich unterstelle meiner Manica Kolonie B auch, dass wenn sie stärker gewesen wäre, sie die weisellosen umgebracht oder zumindest konsequent aus dem Nest ferngehalten hätten.
    So waren es einfach zu wenige Arbeiterinnen und sie konnten nicht verhindern das die weisellosen ins Nest eingedrungen sind.


    Jetzt nach mehreren Stunden sitzen alle im Nest als wäre es immer eine Kolonie gewesen.
    Es bleibt natürlich abzuwarten wie das ganze in Tagen, Wochen ausschaut, aber fürs Erste sieht es gut aus.


    EDIT: 16.02.17
    Alle Arbeiterinnen sitzten im Nest es kam zu keinem Ausfall, es kann gegenseitiges Putzen beobachtet werden.



    MFG Andre

  • Hallo Ameisenfreunde


    Erstmal interessante Beobachtungen.


    Somit bin ich mit meinem anliegen bestimmt richtig hier.


    Zu meinem Problem:


    Kolonie: Messor barbarus
    Grösse: 800-1000 Damen


    Am Montag konnte ich leider beobachten, wie eine dichte Ameiseneskorte die Gyne in die Arena verfrachteten.


    Sie hatte das Zeitliche gesegnet. :(


    Würde es überhaupt Sinn machen, bei einer so grossen Kolonie, den Versuch einer Adoption der Kolonie durch eine neue Gyne zu wagen.


    Falls es einen Versuch wert wäre, weiss ich nicht wirklich wie ich das angehen soll.


    Vielleicht könnt Ihr mir da weiterhelfen.


    Grüsse Stefan

  • Hallo trailandstreet


    Erstmal danke fuer die Antwort.


    Ich habe am Samstag 2 neue Messor barbarus Gynen im Ameisenshop geholt.


    Beide haben schon ein kleines Eierpaket gelegt.


    Demnach lege ich das RG mit einer Gaze verschlossen in die Arena und dann heißt es erstmal wohl abwarten?


    Ich habe mal gelesen der Duft der alten Gyne kann noch ca. 3 Monate anhalten.


    Sollte ich vielleicht noch abwarten ?


    Bis dann hat aber die Gyne dann bestimmt schon ein paar Arbeiterinnen.


    gruesse Stefan

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