Moin!
Neulich erhielt ich eine Diacamma scalpratum Kolonie und nach dem Entlassen der Tiere in die Arena konnte ich für mehrere Stunden das Vollziehen des Tandemlaufs beobachten. Dieses fand ich sehr spannend und ich möchte euch hier kurz meine Recherche zum Thema Tandemlauf zusammenfassen. In einem zweiten Teil werde ich ein paar konkrete Beispiele benennen.
Mit dem Begriff Tandemlauf wird eine Bewegungsweise von Ameisen beschrieben, bei der eine Arbeiterin eine andere Arbeiterin zu einem Ziel führt. Dieser Prozess wird durch beide Ameisen aktiv mitgestaltet: die eine Arbeiterin leitet und die andere Arbeiterin folgt. Das Ziel und die Umgebung sind der geführten Arbeiterin nicht bekannt.
Ausgelöst wird der Tandemlauf dadurch, dass eine Arbeiterin ein wichtiges Ziel findet, welches den anderen Arbeiterinnen unbekannt ist, sie dann zum Nest zurückkehrt und eine weitere Arbeiterin ersucht ihr zu folgen. Dafür zeigt die Arbeiterin ein spezifisches Aufforderungsverhalten, welches darauf das Bilden eines Tandems auslöst. Diesen gesamten Ablauf, das Aufforderungsverhalten und den darauf folgenden Tandemlauf, bezeichnet man als Rekrutierungsverhalten. Wie dieser Prozess gestaltet wird, kann von Art zu Art sehr unterschiedlich sein.
Der Kontakt der zwei Arbeiterinnen beim Tandemlauf kann auf verschiedene Weise gehalten werden. Eine Variante ist chemisch und geschieht auf der Basis von Pheromonen, die ein Duftfeld erzeugen, dem gefolgt wird. Eine weitere Variante ist taktil und funktioniert über das Betasten des Hinterleibs und der Hinterbeine der führenden Arbeiterin mit den beiden Antennen der Nachfolgerin. Eine gute Sehfähigkeit kann das Folgen, als eine optische Variante bei manchen Arten, unterstützen. Diese Möglichkeiten können kombiniert werden und ergänzen sich.
Ist einmal der Kontakt unterbrochen, so soll der notwendige Anschluss wieder hergestellt werden. Bei vielen Ameisenarten verlangsamt die vorlaufende Ameise ihre Geschwindigkeit und vielleicht reicht dies bereits, um den Kontakt zu erneuern. Einige bleiben stehen und warten kurz. Bei einigen Arten kommt es zum Sterzeln und zum Locken mit Pheromonen. Andere Arten machen sich aktiv auf die Suche nach der verloren gegangenen Arbeiterin, um einen erneuten Kontakt herzustellen, usw. Diese Varianten werden artspezifisch angewendet, kombiniert und/oder ergänzt. Der Tandemlauf kann weiterhin artübergreifend in gemischten Tandems praktiziert werden, d.h. eine Art führt eine andere Art. Wird der Prozess ernsthaft gestört, so kehren beide Arbeiterinnen zum Nest zurück.
Die Ziele und das dazu erwartete Verhalten können unterschiedlich sein. Häufig findet der Tandemlauf bei der Entdeckung einer Nahrungsquelle statt, aber auch bei einem Umzug von einem aktuellen Nest zu einem neuem Nest oder bei dem Erkunden von neuem Terrain. Überfälle auf andere Arten können durch den Tandemlauf ausgelöst werden und so Kampfhandlungen Unterstützung finden, auch für den Verteidigungsfall usw.
In dem von mir fotografierten Fall handelt es sich um die Erschließung der Nestumgebung durch die Diacamma scalpratum Arbeiterinnen. Hier ist im buddhistischem Sinne der Weg das Ziel.
„Der Vorteil der Verständigung durch bestimmte Bewegungsweisen ist, dass auf diesem Wege eine gerichtete Informationsübertragung auf einzelne Artgenossen möglich ist, während das Aussenden chemischer Botenstoffe mehr auf Breitenwirkung zielt.“
[Kirchner, Walther: Die Ameisen. Biologie und Verhalten.3., aktualisierte Auflage. München: Verlag C.H.Beck oHG, 2014. S. 75]
Gruß, Olaf