Hallo Leute.
Immer, wenn ich mich mit den Sozialparasiten der Unterfamilie Formicinae beschäftigte, stieß ich auf ein Problem, das ausnahmslos alle sozialparasitischen Arten zu haben schienen. Zumindest die Arten, die ich aus eigenen Beobachtungen kennen gelernt habe. Das sind Arten der Gattungen Lasius, hier Dendrolasius und Chthonolasius, der Gattungen Formica natürlich, Raptiformica und die temp. sozialparasitischen Arten der Waldameisen, der dulotischen Gattung Polyergus.
Das Eindringen und die Übernahme einer Hilfsameisenkolonie ist für alle Arten schwierig. Die Jungköniginnen, die das Vorhaben je nach arteigenen Prozedere umsetzen, gehen hierbei immer ein großes Risiko. Es gibt viele verschiedene Wege, die sie dabei beschreiten, je nach Art und das Vorgehen der Jungköniginnen reicht dabei von einschmeichelnden, einschleichenden Verahlten bis zu rabiater Gewaltanwendung, um in ein entsprechendes Hilfsameisennest zu gelangen. Egal wie die Tiere vorgehen, die meisten schaffen es natürlich nicht. Einige wenige schon, das genügt, um den Fortbestand des Sozialparasiten zu sichern. Welche Jungköniginnen welcher Arten wie vorgehen, muss nicht weiter besprochen werden, das ist ja bekannt.
Ist die Übernahme einmal geglückt und die Jungkönigin von den Hilfsameisen angenommen und akzeptiert, wird sie bald mit der Eiablage beginnen. Bei manchen Arten im gleichem Jahr. Nach wenigen Wochen schlüpfen die ersten Arbeiterinnen des Sozialparasiten im bis dahin von den Hilfsameisen geführten Nest. Und hier stoße ich immer wieder auf das Problem, dass diese ersten Arbeiterinnen von den Hilfsameisen nicht akzeptiert werden, gemobbt und gequält werden, gezerrt und schließlich getötet werden. Das Problem haben dabei alle Sozialparasiten, ob temporär sozialparasitisch oder fakultativ dulotisch wie die Raptiformica oder ob obligatorisch dulotisch wie die Amazonen.
Die jungen, schlüpfenden Ameisen des Sozialparasiten sind natürlich völlig wehrlos und selbstverständlich kommt es ihnen nicht in den Sinn, sich gegen ihre Ammen, die Hilfsameisen zu wenden und sich zu wehren.
Wie lösen die Sozialparasiten das Problem?
Bei Lasius (Dendrolasius) fuliginosus oder bei Chthonolasius konnte ich beobachten, dass erst mit einen massenhaften Schlupf junger Arbeiterinnen der Druck auf die einzelnen Individuen nachließ und so dann die allermeisten jungen Arbeiterinnen überleben konnten, wenn gleichzeitig sehr viele Schwestern schlüpften. Der Stress durch das Mobbing verteilte sich wahrscheinlich nun auf sehr viele junge Ameisen, der Schaden für das einzelne Tier war geringer, so überlebten viele. Das war zumindest mein Eindruck.
Ähnlich wird es bei Waldameisen funktionieren, es schlüpfen irgendwann genug jungen Arbeiterinnen der Waldameisen, dass die Serviformica nicht mehr alle jungen Arbeiterinnen der Waldameisen töten können. Denn genau das tun sie, wenn sie es mit nur wenigen zu tun haben. Offenbar erkennen sie die Andersartigkeit, akzeptieren die ihnen nicht gleichenden jungen Ameisen nicht und töten sie. Sie schaffen es dann nicht mehr, wenn das Zahlenverhältnis der jungen, schlüpfenden Waldameisen zu den Ammen ein Level erreicht, das, wie vorhin angesprochen, den Stress für das einzelnen jungen Tier soweit absenkt, dass es überleben kann. Es müssen einfach möglichst viele Arbeiterinnen des Sozialparasiten schlüpfen.
Bei Dendrolasius, Chthonolasius, vielleicht eben auch bei den Waldameisen und bei Raptiformica erscheint mir das möglich. Die Königinnen dieser Arten sind in der Lage, in kurzer Zeit viele Eier zu legen, aus denen auch viele Nachkommen gleichzeitig aufgezogen werden können. Bei den Raptiformica gibt es noch andere Strategien der Koloniegründung, diese Art steht also eigentlich nicht unbedingt vor diesem Problem. Darum geht es mir aber nicht.
Ich beobachte bei meiner Hifsameisenkolonie mit einer Polyergus-Königin, dass viele, eigentlich im Moment alle jungen, schlüpfenden Amazonen-Arbeiterinnen getötet werden. Es schlüpfen jetzt am Tage vielleicht zehn bis fünfzehn dieser Arbeiterinnen, das in einer Hilfameisenkolonie mit etwa 1500 Arbeiterinnen. Soweit ich das Nest einsehen kann, überlebt zur Zeit keine der Amazonen die kritische Zeit kurz nach dem Schlupf, alle werden gehalten und gezerrt, landen irgendwann als tote, orangefarbene und unausgefärbte Ameisen auf dem Müllhaufen der Kolonie. Das liegt sicher nicht an Proteinmangel, ich füttere die Kolonie so, dass sie vieles nicht vertilgt.
Ich bin darüber nicht besonders verwundert und denke, dass sich die Situation im Frühjahr bessern wird. Trotzdem, es ist schade um diese schönen Tiere.
Und mir stellt sich eben u.a. die Frage, oder ob die Arten, ob alle diese Arten im Freiland vor den gleichen Problemen stehen. Ich denke, es ist sehr wahrscheinlich.
Nun ist es ja so, dass die Amazonen als Raubameisen regelmäßig Kolonien von Serviformica plündern. Das muss ja bedeuten, dass diese kleinen Heere der noch jungen Amzonen-Kolonien bereits eine gewisse Zahl an Kriegerinnen haben müssen, wenn sie Erfolg haben sollen. Eine Gruppe von zwanzig und fünfzig Amazonen wird kaum ein mittelgroßes Nest von rufibarbis plündern können, die wenigen Amazonen würden untergehen und scheitern. Muss das nicht bedeuten, dass eine erfolgreiche Koloniegründung bei der Art nur gelingen kann, wenn bereits am Anfang von der Königin bei der Nestübernahme eine große Zahl von Hilfsameisen, in Form von Puppen und jungen Arbeiterinnen, übernommen wird? Denn die Koloniegründung kann doch nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn mit den ersten Raubzügen eine ausreichende Anzahl von Amazonen-Arbeiterinnen zur Verfügung steht. Eine große Zahl an Arbeiterinnen der Hilfsameisen führt aber wieder zu dem Problem, dass mit den ersten schlüpfenden Generationen des Sozialparasiten entsprechend viele schlüpfen. Sonst kommt es leicht dazu, dass alle schlüpfenden getötet werden, weil sie als andersartig erkannt werden und nicht ohne weiteres und sofort toleriert werden. Schüpfen sehr viele gleichzeitig, verteilt sich der Stress auf die vielen jungen Tiere und die Andersartigkeit wird schließlich eher toleriert, die Hilfsameisen resignieren vermutlich sozusagen vor der wachsenden Übermacht der neuen Mitbewohner und deren Eigenheiten. Das tun sie aber ungern.
Ein Aspekt dieser Aggression innerhalb der Kolonie ist sicher auch, dass dies eine evolutionäre Anpassung ist. Es wird den Sozialparasiten schwer gemacht, in einer Art Wettrüsten werden Verhaltensweisen entwickelt, die den Bestand der Hilfsameisenart sichern, auch wenn diese physisch unterlegen ist. Es ist ganz sicher ein Vorteil für die Serviformica, wenn möglichst viele Sozialparasitenkolonien scheitern, selbst nach geglückter Kolonieübernahme.
Vielleicht hat jemand Lust, darüber zu plaudern. Es gibt ja noch viele weitere Probleme, die manchmal in den gemischten Kolonien solcher sklavenhaltenden Raubameisen auftreten.
Ja, und ich entschuldige mich für den wenig strukturierten Text. Ich habe einfach aufgeschrieben, worüber ich gerade nachdenke.
LG, Frank.