*Lasius fuliginosus, Zweignestbildung.

  • Liebe Ameisenfreunde,


    heute morgen entdeckte ich einige Fotos von Nesteingängen und Ameisen der Art Lasius fuliginosus, die ich im August gemacht hatte. Mir schwante, dass zur Lebensweise der Art noch einiges gesagt werden könnte. Ich erinnerte mich an Beobachtungen von Zweignestern, die hier und da gepostet wurden. Während meiner Beobachtungen, die ich über einige Jahre immer wieder speziell an dieser Ameise machte, konnte ich ein echtes Zweignest noch nie finden. Ein Zweignest zeichnet sich m.E. dadurch aus, dass in ihm alle Stadien der bewohnenden Ameisen vertreten sind sowie wenigstens zeitweise alle Kasten des Ameisenvolkes. Außerdem muss es natürlich ein Nest neben anderen der gleichen Kolonie sein. Ein Zweignest wird also bewohnt (wie wir es kennen von typischen zweignestbildenden Arten wie Camponotus fallax, Colobopsis, Dolichoderus quadripunctatus, Formica spec. u.w.), in ihm wird Nachwuchs aufgezogen und dient nicht nur als Unterstand oder Biwak für Aussendienstarbeiterinnen. Bei fuliginosus-Kolonien fand auch ich natürlich immer an den belaufenen, oft vom Nest weit entfernten Nahrungsbäumen Erdlöcher, in denen und bei denen sich Ameisen aufhielten. Dies waren jedoch immer Arbeiterinnen und ausschließlich solche. Brutstadien oder Geschlechtstiere fand ich hier nie. Es sei denn, es war ein entfernter Ausgang des Nestes, dieser kann bei großen Völkern und sehr großen Nestern schon mal einige Meter entfernt vom Nest sein. Die Frage ist also auch, wie man ein Zweignest definiert. Meiner Einschätzung nach kann man dann von einem Zweignest reden, wenn sich in ihm alle Stadien und Kasten eines Ameisenstaates wenigstens zeitweilig aufhalten. Ob ein Zweignest in dieser Art bewohnt ist, kann leicht herausfinden. Man muss es nicht einmal öffnen. Es genügt, genau hinzuschauen.


    Im August des Jahres untersuchten wir im Rahmen der Hornissenbeobachtung und Hornissennestzählung einige Nester der Glänzendschwarzen Holzameise (Lasius fuliginosus). Wir untersuchten die Nester auf die Anlage von Zweignestern.
    Solche Zweignester werden w.o.b. für fuliginosus immer wieder als verbreitet angenommen, die Anlage solcher Zweignester wird auch für weitere „Kartonnestbauer“ der Gattung Lasius beschrieben. Um meine Beobachtungen und Erfahrungen zu schildern, möchte ich Euch erstmal mit dem langweilen, was ich in vielen Jahren an unterschiedlichen Standorten beobachtet und was ich aus meinen Beobachtungen geschlussfolgert habe. Ganz ähnliche Beobachtungen habe ich bei den Arten der Chthonolasius gemacht, auf die ich hier aber lieber, im Sinne der Überschaubarkeit, nur am Rande eingehe.


    Jedoch, grau ist alle Theorie, ich bitte alle, die interessiert an dieser faszinierenden Art sind, Kolonien in ihrer Wohnortnähe im nächsten Jahr nach den unten von mir vorgeschlagenen Kriterien zu untersuchen.
    Um nun meine Beobachtungen zu belegen und plausibel darzustellen, sehe ich mich leider gezwungen, einen etwas langatmigen und wenig unterhaltsamen Text zu verfassen und etwas auszuholen. Ich glaube aber, dass man die Möglichkeiten der Art nur ausreichend darstellen kann, wenn man versucht, alle die Fragestellung berührenden Aspekte zu beleuchten. Dazu gehören klimatische Faktoren, der Jahreszyklus, Ernährung und vor allem der artspezifische aufwendige Nestbau und die dazugehörige, sich daraus ergebende Stetigkeit der Art.


    Fuliginosus und die Arten der Chthonolasius bauen Brut- und Wohnnester aus kartonähnlichem Material. Diese Nester sind von mehr oder weniger stabiler Beschaffenheit, die wohl stabilsten baut fuliginosus. Die Nestwandungen werden aus Holzteilchen, Erdbestandteilen und anderen Material errichtet, dabei beim Bau mit Speichel und Kohlehyraten durchtränkt. Eine ähnliche Verfahrensweise, wie sie die sozialen Faltenwespen anwenden, jedoch müssen die mehrjährig bewohnten Nester der Ameisen stabiler sein. Dafür sorgt ein in den Nestwandungen lebender Pilz, der sich von den Kohlehydraten ernährt und mit den Ameisen in einer Symbiose lebt. Der Pilz stabilisiert das Nest, sorgt bei den Nestern der fuliginosus für sehr stabile, fast holzähnlich feste Nestkonstruktionen. Der Stoffwechsel des Pilzes produziert Wärme, zusammen mit der Wärmeproduktion der Ameisen sorgt das für eine ideale Brutnesttemperatur im Nest der Ameisen während der Brut- und Vegetationsperiode. Fuliginosus ist wie andere in volkreichen Kolonien lebenden Ameisen und viele weitere soziale Insekten in der Lage, diese Temperatur auf einen günstigen Wert zu regulieren, andauernden Nachschub an Nahrung, vor allem an Kohlehydraten vorausgesetzt.
    Um den Nachschub zu sichern, werden Pflanzensauger verschiedener Arten in grossen Mengen auf verschiedenen Nahrungspflanzen kultiviert. Meist sind dies Eichen, Birken und weitere Laubbäume sowie, wenn auch seltener Koniferen wie Tannen und Fichten. Die genutzten Baumarten sind abhängig von der Verfügbarkeit im Umfeld des fuliginosus-Nestes. Fuliginosus gründet ja temporär sozialparasitisch bei Chthonolasius, so kann ein fuliginosus-Nest auch schon mal an relativ unerwarteten Standorten gefunden werden, an denen aber mit der ebenfalls temporär sozialparasitischen Chthonolasius und deren Wirtsameisen aus der niger-Gruppe gerechnet werden kann. Ich fand untypische Neststandorte von fuliginosus sogar schon in reinen Kieferwäldern mit nur wenigen aufkommenden Birken.


    Einmal etablierte Kolonien der fuliginosus sind ungemein erfolgreich und die Art ist aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit, wirksamer Waffen, schneller Rekrutierung und Propagierung neuer Nahrungsquellen oder möglicher Koloniebedrohungen wohl allen anderen oberirdisch agierenden Ameisenarten im Umfeld weit überlegen ( Niemand weiß, wie Differenzen mit den meist unterirdisch agierenden Chthonolasius ausgehen. Zu Zusammenstößen wird es regelmäßig kommen, naturgemäß und infolge des sozialparasitischen Verhältnisses beider Arten siedeln fuliginosus und die Arten von Chthonolasius in ähnlichen Habitaten. Möglicherweise sind solche Begegnungen im „Untergrund“ meist friedlicher Art und man weicht sich aus. Eigene Versuche mit erregten, zusammengesetzten Tieren zeigten, dass die Arbeiterinnen von Chthonolasius im Kampf den fuliginosus überlegen sind und sich von deren Mandibelgiften unbeeindruckt zeigten. Das ist erstmal einigermaßen überraschend, ist doch fuliginosus der Sozialparasit, der Chthonolasius temporär ausbeutet. Andererseits überrascht es dann doch nicht allzu sehr, es gibt während des Vorganges der sozialparasitischen Übernahme einer Chthonolasiuskolonie durch fuliginosus-Weibchen keine Kämpfe!). Selbst die großen und agressiven Waldameisen müssen nach einigen Kämpfen regelmäßig von ihren Territorien weichen und überlassen den breit und massenhaft vorrückenden fuliginosus ihre Territorien.
    Etwas später als die Waldameisen, bei Temperaturen über dreizehn Grad Celsius beginnen die fuliginosus im Frühjahr, ihre angestammten Räume zu besetzen und beginnen mit Austragen und Ansetzen ihrer „Haustiere“, die sie zum großen Teil im eigenen Nest überwintern. Jetzt beginnt also bald die Produktion von Kohlehydraten in großen Mengen, die Kohlehydrate werden für die Ernährung der Ameisenkolonie und des Pilzes im Nest verwendet. Mit besserer Kohlehydratversorgung steigen die Temperaturen im Brutnest, die Produktion von Nachwuchs kommt in Fahrt. Viele Königinnen in großen, polygynen Kolonien legen nun große Mengen von Eiern, es schlüpfen Unmengen von Larven, die nun auch mit Proteinen versorgt werden müssen. Im noch insektenarmen Frühling wird nun alles Verwertbare eingetragen, selbst Regenwürmer oder Asseln werden nun verwertet. „Haustiere“ werden geschlachtet, manche der gehegten Pflanzensauger werden eingetragen und als Proteinquelle genutzt, es ist ein Geheimnis der Ameisen, nach welchen Kriterien solche „Schlachttiere“ gewählt werden.
    Die individuenreichen Kolonien der fuliginosus sind bei einigermaßen günstigen Frühjahrstemperaturen mit der Aufzucht der ersten Bruten sehr erfolgreich. Fuliginosus ist die erste Ameise in unserem Gebiet mit volkreichen Kolonien, die bereits zeitig im Jahr, in günstigen Jahren schon ab Anfang Mai mit vielen Geschlechtstieren schwärmt, die im gleichen Jahr aufgezogen wurden. Zeitgleich werden massenhaft die ersten Arbeiterinnengenerationen aufgezogen, auch das ist eine Leistung, zu der kaum eine andere Art in solchen Maßstäben fähig ist.
    Trotz der hohen Durchsetzungskraft und der relativen Variabilität, mit der fuliginosus auch unterschiedliche Lebensräume erfolgreich besiedeln kann, immer natürlich abhängig vom Vorhandensein der Wirtsameisen aus der Chthonolasius-Gruppe, trotz dieser Fähigkeiten ist fuliginosus nie häufig. Es gibt Inselvorkommen, in denen es eine Reihe von Kolonien in strikter räumlicher Abgrenzung voneinander gibt und natürlich gibt es überall in geeigneten Lebensräumen Kolonien der Art. Dabei ist fuliginosus jedoch nie häufig, nie vergleichbar flächendeckend vertreten wie etwa die Arten der niger-Gruppe.
    Prinzipiell ist das Vorkommen von Arten der niger-Gruppe Grundvoraussetzung für das Vorkommen von fuliginosus. Diese Arten werden von Jungköniginnen verschiedener Chthonolasius heimgesucht und zur temporär sozialparasitischen Koloniegründung gebraucht. Fuliginosus seinerseits gründet auf diesem Wege beim temporären Sozialparasiten Chthonolasius. Aus diesem Abhängigkeitsverhältnis resultiert, dass die Besiedlung eines Biotops mit Ameisen aus der niger-Gruppe das Vorkommen von Chthonolasius erst ermöglicht. Chthonolasius gründet keineswegs ständig erfolgreich, dies gelingt nur ganz wenigen Jungköniginnen bei den agressiven, wachsamen Ameisen der niger-Gruppe. Natürlich erkennen diese den Feind nach Jahrmillionen der gemeinsamen Evolution und bekämpfen ihn. Möglicherweise gelingt die Gründung nur bei weisellosen Kolonien regelmässig. Dies bedeutet wohl, dass es nur sehr viel weniger Chthonolasius-Kolonien in einem Gebiet geben kann als Kolonien der Wirtsameisen. Gleiches gilt für das Verhältnis der den fuliginosus ihrerseits als Hilfsameise dienenden Chthonolasius zu den fuliginos-Kolonien in einem Gebiet. Wenn also Kolonien der Arten aus der niger-Gruppe häufig sind, gibt es immer einige Kolonie der Chthonolasius im selben Gebiet. Natürlich sind deren Kolonien aufgrund der Lebensweise ungleich schwerer aufzufinden. Bei einigen Kolonien der Chthonolasius kann es vielleicht eine oder zwei Kolonien der fuliginosus geben. Es kann auch schon mal keine geben, es ist aber zu erwarten, dass irgendwann eine entsteht. Die Jungköniginnen der fuliginosus belaufen weite Strecken auf der Suche nach Chthonlasius-Kolonien, eine geeignete, möglichst weisellose Kolonie wird irgendwann mit fast hundertprozentiger Sicherheit entdeckt und dann meist von Dutzenden Jungkönginnen der fuliginosus „infiziert“ und übernommen.
    Dieses Verhältnis zwischen den beteiligten Arten erklärt das relativ seltene Auftreten der fuliginosus und das erschwerte Auffinden der ja unscheinbaren und ebenfalls nicht übermäßig häufigen Chthonolasius-Kolonien, verglichen mit dem Vorkommen und der Nestdichte der anderen potenten europäischen Ameisen. Ein weiteres Regulativ ist die absolute Feindschaft zwischen fuliginosus-Kolonien. Ich beobachtete in vielen Jahren mehrfach, dass junge Kolonien von etablierten, großen und benachbarten Kolonien ausgekundschaftet und vernichtet wurden.
    Trotz dieser einschränkenden Bedingungen ist fuliginosus natürlich in allen geeigneten Habitaten anwesend, und sei es durch die weite Strecken wandernden, nach Chthonolasius-Kolonien suchenden Jungköniginnen im Frühling und Sommer. So deckt die Art sicher fast den gesamten, besiedlungsfähigen Raum ab und vermag jede Möglichkeit, die sich eventuell durch eine seit kurzem weisellose Chthonolasius-Kolonie bietet, zu nutzen ( Einlass erlangen die jungen Königinnen der fuliginosus immer und in jedem Chthonolasius-Nest, offenbar sind sie getarnt durch eine spezielle „Duftlosigkeit“. Es gibt anfangs nur geringe Agression durch die Chthonolasius gegenüber den Eindringlingen, schlimmstenfalls kurzes Festhalten. In weiselrichtigen Kolonien, in denen eine Königin der Chthonolasius lebt und die Arbeiterinnen über Pheromone über ihre Anwesenheit „informiert“, werden die fuliginosus-Königinnen jedoch nach einen bis zwei Tagen ihrer Anwesenheit wahrscheinlich durch ihre eintretende Pheromonproduktion infolge der reichlichen Fütterungen als Fremde erkannt und regelmäßig getötet. Sie verraten sich dann sozusagen selbst. Eigene Beobachtungen).


    Mancher fragt sich vielleicht, was hat das mit Zweignestbildung zu tun? Ich denke, dass die Lebensweise der Art wichtig ist und Rückschlüsse auf Nestbau und Nestarchitektur zulässt.
    Da ist zum einen das von den fuliginosus bei der sozialparasitischen Koloniegründung übernommene Nest der Chthonolasius. Wer ein solches Nest einmal im brandenburgischem Sand an- und ausgegraben hat, weiß, dass er es mit einem fast runden, konzentrierten Objekt zu tun hat. Im oberen, wärmsten Bereich finden sich Puppen und Larven, in den tieferen Bereichen kleinere Larven, Eier, die Königin. Es handelt sich bei einem solchen Nest um eine ballähnliche Konstruktion, im Inneren bestehend aus weichen, leicht zerfallenden und unregelmäßig zellenartig verbauten Karton. Die Chthonolasius verwenden zum Bau Erde, Holzsubstrat angrenzender zerfallender Wurzeln usw.. Diese rundliche Form ist nicht die Regel, sie ist möglich im Heidesand Brandenburgs. Ein Ausgraben und Herausheben eines solchen Nestes freilich ist kaum möglich, die Strukturen der Nester der Chthonolasius sind zu instabil. Gräbt man solch ein Nest jedoch zur Gänze aus, bleibt eine runde Grube zurück. Nester in hohlen Bäumen, im felsigen Grund oder anderen schweren Böden haben natürlich selten eine ideale rundliche Form. Das Bestreben, runde konzentrierte Nester zu bauen ergibt sich aus der Notwendigkeit, in unserem gemäßigten Klima mit der Wärme hauszuhalten. Es geschieht also fast gesetzmäßig einfach dadurch, dass die Tiere durch Bautätigkeit versuchen, Wärmeverlust vorzubeugen. Ähnliche Nestkonstruktionen kennen wir von den Echten Wespen und den Hornissen oder von Bienen. Der Wärmehaushalt ist nicht nur Ursache solcher Nestkonstruktionen, er verbietet eigentlich diesen Ameisen wie anderen sozialen Insekten, die solche Nester erbauen und mit Körperwärme und Kohlehydratverbrauch temperieren auch das Anlegen thermisch ineffizienter Zweignester im verhältnismäßig kühlen Klima Mitteleuropas (Ja, ich weiß, Hornissen legen manchmal Zweignester an, sicher auch Bienen, dass hat dann sicher aber andere Ursachen. Auch diese Insekten besiedeln in aller Regel nicht verschiedene Nester nebeneinander dauerhaft.). Die von den fuliginosus übernommenen Nester werden oft dauerhaft und weiterhin von der fuliginosus-Kolonie bewohnt und ausgebaut. Handelt es sich bei dem übernommenen Nest jedoch um ein reines Erdnest, zieht die fuliginosus-Kolonie wahrscheinlich irgendwann in den ersten Jahren ihres Bestehens an die Peripherie eines Baumes, einer Eiche, Birke oder eines anderen erreichbaren Baumes. Oft ins Innere eines alten Baumes, solche Nester kennt jeder, der die Art beobachtet. Auch hier legen die fuliginosus nach meiner Beobachtung nun konzentrierte Brutnester an, aus den oben beschriebenen Gründen. Natürlich passt sich dann das Nest den Gegebenheiten an, es kann im Bauminneren lang und schmal sein.
    Ich fand vor Jahren ein großes, volkreiches Nest in einer hohlen, teilmorschen Birke mit einem Stammdurchmesser von etwa 15 Zentimetern. Das Nest erstreckte sich im Inneren des Stammes über etwa zwei Meter, war dabei an seinen stärksten Stellen etwa 10 Zentimeter stark. Sicher kann ein solches Nest nicht die idealen thermischen Parameter aufweisen wie ein fast kugeliges Nest. Dieses Volk lebte aber inmitten eines Eichenhains und konnte diesen Mangel vielleicht durch vermehrtes Eintragen von reichlich vorhandenen Kohlehydraten ausgleichen.
    Ich habe früher dieses und viele andere Nester geöffnet. Das tue ich heute natürlich nur noch ungern. Oft zeigte sich, dass es verdammt schwierig war, an das Brutnest heranzukommen. Nie fand ich Zweignester mit Brutstadien.
    Das Territorium eines großen Volkes kann sich über einige hundert Quadratmeter erstrecken, die Straßen der Ameisen erstrecken sich manchmal über große Strecken. Überall in diesem Gebiet findet man an den belaufenen Bäumen und an den dicht belaufenen Straßen der Ameisen Erdlöcher, die scheinbar von den Ameisen dauerhaft genutzt werden. Es laufen Ameisen hinein, andere kommen heraus. Es ist manchmal nicht leicht, das Nest zu finden und zu erkennen. Jedoch gibt es einige sehr eindeutige Indizien, die der Beobachter leicht nachvollziehen kann. Ganz klar und für jedermann nachvollziehbar, Tiere mit vollen Kröpfen und angeschwollenen Gastern marschieren in Richtung Nest. Tiere, die Nahrung tragen wie erbeutete Insekten transportieren, ebenfalls. Oft jedoch findet in den Biwaks, so nenne ich mal die Scheinnester, ein Nahrungsaustausch statt, Blattlaushonigsammlerinnen übergeben ihre Fracht an Trägerinnen, Jägerinnen ihre Beute an andere Trägerinnen. Dies kann irritieren und den Eindruck erwecken, man hätte ein zweignest vor sich, immerhin verschwinden beladene Tiere in den Eingängen der Biwaks. Es kommen aber andere beladen heraus, der Nahrungsstrom bewegt sich immer in Richtung Nest.
    Wer ihn verfolgt landet unweigerlich in der unmittelbaren Nähe des Nestes. Und findet hier die eindeutigen Beweise für die darin und nur darin stattfindende Bruttätigkeit der Kolonie. Er sieht nur hier an an den Eingängen viele wartende Geschlechtstiere, zumindest von Mai bis September. Er sieht Unmengen von fleißigen Arbeiterinnen in den Eingängen verschwinden, die manchmal sehr groß und weit sind. Diese Arbeiterinnen sind beladen mit den unterschiedlichsten Gütern. Andere tragen Abraum heraus und laden ihn auf benachbarte Deponien ab. Alle möglichen Abfälle der großen Kolonie landen hier. Solche Deponien finden sich nur in der Nähe des Brutnestes, gibt es Zweignester, müssen sie im kleineren Maßstab auch dort zu finden sein.


    Es lohnt sich wie immer, den Abfall und Hausmüll zu untersuchen. Denn er birgt das sicherste und absolut eindeutige Indiz. Hier werden Puppenhüllen entsorgt, zu tausenden und bergeweise! Dies ist die einzige Stelle im gesamten Revier der Kolonie, an der das geschieht. Denn hier ist das Nest der Kolonie! Hier wird die Brut aufgezogen, dies ist das Zentrum des fuliginosus-Imperiums.


    Nach meinen Beobachtungen ist die Zweignestbildung bei dieser Art einfach nicht belegbar im Klima Mitteleuropas. Ich habe derartiges noch nicht gefunden und ich stelle der Art seit einigen Jahren nach. Möglicherweise sieht es im südlichen, wärmeren Verbreitungsgebiet der Art anders aus.
    Die Zweignestbildung in den heimischen Breiten, in denen wir beobachten, ist für mich daher ein Mythos, der auf leider ungenaue Beobachtungen und Wiederholung derselben beruht. Ameisen, die in Löchern verschwinden und wieder hinauskommen, müssen dort deswegen noch lange kein Zweignest oder Nest unterhalten.
    Wobei natürlich die Definition geklärt werden muss. Ich gehe aber davon aus, dass die meisten wie ich unter den Begriff Zweignest verstehen, dass dies zumindest ein mehr oder weniger dauerhaft genutztes, von allen Stadien und Kasten eines Ameisenvolkes bewohntes Nest ist. Ein solches Zweignest habe ich bei Lasius fuliginosus noch nie gefunden. Ich kann nicht ausschließen, dass es selten vorkommt, halte es jedoch für äußerst unwahrscheinlich bei einer unbehelligten Kolonie mit ungestörten Jahresverlauf im Freiland. Störungen wie Bautätigkeit oder Abholzung können fuliginosus-Kolonie zum Umzug zwingen, die Art ist durchaus auch in der Lage, solche Umzüge zu organisieren. Im Zuge eines solchen meist unfreiwilligen Umzuges kann es zu temporären Zweignestern kommen, dass ist jedoch selten, entsteht durch ungewöhnliche Umstände und kann nach meiner Einschätzung nicht als für die Art typisch oder gegeben betrachtet werden.


    LG, Frank.


    Link zu den Bildern: http://www.eusozial.de/viewtopic.php?f=14&t=207

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