*Unterwegs in Gundersheim

  • Hallo,


    ich bin, sofern es die Zeit zulässt sehr oft mit dem Fahrrad in meiner nächsten Umgebung unterwegs. Ich möchte Euch in diesen Thread eines der hier am häufigsten anzufindenen Habitate vorstellen, den Halbtrockenrasen, bzw. die normale Wiese die sich hier fast überall in der relativ Baumlosen Gegend bildet, häufig an Feldwegrändern. Hier kommt ein ganz bestimmten Artenspektrum vor. Ich stelle mal eine Beispielsstelle vor:

    Wie man sieht, sind es ein paar Junge Obstbäume, umringt von recht hohen Gras. Trotzdem anzumerken ist, dass das Gras nur Stellenweise wirklich alles dicht zuwächst - natürliche, offene Stellen sind vorhanden, und diese sind meines Erachtens, aufgrund der perfekten warmen Einstrahlung, auch ausschlaggegend für die Ameisenvorkommen. Außerdem haben sie auch sonst die nützliche Seite, das man auf dem trockenen, unbewachsenen Boden sofort erkennen kann, was dort so herumkrabbelt. So eine Stelle sieht in etwa so aus;

    Die wohl häufigsten und mitunter auffälligsten Bewohner sind Serviformica, vor allem Formica rufibarbis und clara, welche durch ihre Größe öfters hervorstechen. Die großen Arbeiterinnen durchstreifen weiträumig die Umgebung nach Nahrung. Das sind derzeit zum Beispiel beovrzugt Geschlechtstiere von frisch geschwärmten Lasius, aber auch tote Fliegen u.ä.. Sehr gerne werden auch Zaun-Wicken, eine häufige Wiesenpflanze mit extrafloralen Nektarien genutzt, wobei sie sich allerdings nicht immer gegen Lasius durchsetzen. Sie sind dominant, allerdings sehr viel größer als die meisten anderen Bewohner, weshalb sie sich selten ins Gehege kommen. Hier ist eine besonders große Arbeiterin, von vermutlich Formica clara, mithilfe von Honig zum Stillstand gebracht;

    Neben rufibarbis und clara findet man auch hin und wieder Formica cunicularia, und in sehr seltenen Fällen (mir ist nur ein einziges Nest in dieser Umgebung bekannt) auch Formica fusca. Ihre Nester gehören zu den Hügelbauten von Lasius niger und flavus zu den äuffälligsten. zwar werden nur in hohen Gras und nach Regen wirkliche Hügel ebaut, alllerdings erkennt man die Nester schon gut und aus der Ferne, da sie häufig an vergleichsweise kahleren Flächen liegen. Hier sieht man ein ca einen m² ufassendes Nest von Formica cf. clara:

    Die Eingänge sind mehrere unauffällige Löcher - nach dem Regen besitzen sie aber öfters größere Krateraushübe, und bei großen Kolonien sind diese Löcher mitunter auch recht groß.


    Meist in direkter Nachbarschaft zu den Serviformica Nestern findet man Tetramorium sp.. Diese sind so klein, dass sie wahrscheinlich von den Formica ignoriert werden. Trotzdem könenn in hohen Gras auch ihre Bauten recht stattlich werden. In vegetationsarmer Umgebung allerdings bestehen die Nester aus kleinen Löchern, die von einen kleinen Krater hervorgerufen durch die Aushübe gekennzeichnet sind. Öfters mehrere in direkter Umgebung, manchmal verbunden durch kleinere Straßen. Diese Tetramorium sind sehr thermophil und kommen auch bei heißen Wetter mit dem noch wärmeren Bodentemperaturen zurecht. In schattiger Umgebung findet man sie eigentlich nie. Die Arbeiterin sind klein, kaum 2mm groß, und können sich trotzdem gegen Lasius durchsetzen. Sie bekommen ihre Kohlenhydrate meist nur durch Wurzelläuse, Blattlausbetreuung oder das besuchen von Zaun-Wicken kommt eigentlich nie vor. Dafür sind sie umso mehr zoophag, selbst alte, bereits getrockente Insekten werden mit sehr Rekrutation (deutlich besser als beispielsweise bei Lasius) abgeschleppt.
    Mal ein älteres Video von mir, welches die kleinen wuseligen Tetramorium in ihrer Höchsform beim Futter erbeuten zeigt:


    Hier eine Arbeiterin:



    Das waren, been Lasius niger, auf die ich hier nicht näher eingehe, die Standartarten die man eigentlich überall in einem solchen Habitat vorfindet. Wenn man Glück hat, findet man allerdings noch mehr. Myrmica ist keineswegs, wie ihr oft nachgesagt wird, eine auf feuchtere Gebiete spezialisierte Gattung. Einige Arten kommen auf Trocken- und Halbtrockenrasen vor, stellenweise sogar sehr häufig. In dem Beispielshabitat kam eine Art besonders häufig vor, allerdings war ich natürlich nicht in der Lage, sie so zu bestimmen. Auf jeden Fall war es sicherlich weder rubra noch ruginodis. Ich habe sie etwas mit Honig angefüttert:

    Sie nisten meist in Erdnester, aber nicht an sehr stark besonnten Plätzen, sondern eher im schattigeren Bereichen des hohen Gras. Trocken war die Umgebung trotzdem.
    Außerdem gab es noch eine sehr kleine Formicinae, schätzungweise etwa 2 mm groß. Ich bin mir unsicher, denke aber dass es sich durchaus um eine Lasius, evtl. alienus (?) gehandelt haben könnte. Diese hatte ich nur entdeckt, weil sie auf total unbewachsenen Grund umherliefen.


    An besagten Tag, am 06.07., war noch Schwärmzeit. Ich konnte sowohl eine Königin von Formica cunicularia, als auch von Formica cf. rufibarbis erspähen. Diese sind hektisch auf der Suche nach einer geeigneten Stelle zur Koloniegründung. Auch eine Tetramoriumkönigin konnte ich auffinden. Die Königinnen sind aber sehr schwer zu fotographieren, da sie so schnell unterwegs sind. Hier ein unscharfer Schnappschuss.


    Ich hoffe Euch hat der kleine, unbedeutsame Einblick in ein typisches Habitat gefallen.
    Seht es als Tipp an, wenn ihr mal auf der Suche nach Tetramorium oder Formica Königinnen seit! Also los, raus jetzt, alle Arten kann man noch finden :)


    Grüße, Phil

  • Schöner Bericht, Phil. Bei der schönen Myrmica würde ich sagen, dass es sich um Myrmica schenki handeln sollte. diese Art bevorzugt trockene, offene Habitate, oft Waldränder oder sonnige Lichtungen, von hier aber auch in solche Halbtrockenrasen vordringend. Eine schöne Art, die typischerweise manchmal kleine röhrenartige Aufbauten nach feuchteren Witterungsperioden auf ihren Nesteingängen errichtet. So ein Nesteingang kann dann wie ein winziger Kamin aussehen. Gebaut wird er von den Ameisen aus winzigen Substrat, kleinen Sandkörner, Pflanzenteilen etc..


    LG, Frank.

  • Hallo Frank,


    ja, Myrmica schencki ist mir auch sofort in den Sinn gekommen, allerdings kenne ich diese Art bislang gar nicht wirklich. Von den tollen Nesteingängen die Du beschreibst ist auch ein Bild im Seifert, aber beobachten konnte ich das noch nie. Liegt wohl daran, dass es selten so Feucht ist... Ich werde mich diese Art mal professionel bestimmen lassen, kenne 3 Vorkommen - auch wenn es immer heißt, die Myrmica sind schwer auseinander zu halten, diese sind recht eindeutig, haben so eine tendenziell dunkle Gaster und einen dunklen Kopf, das unterscheidet sie wohl hauptsächlich von sabuleti. Aber will da nicht weiter herum spekulieren, werde sicherlich später noch etwas dazu schreiben.


    Doch ich will noch etwas anderes berichten;
    Als ich heute Mittag in der Hitze mit meiner Mutter spazieren war, liefen überall tausende von Lasius s.str., hauptsächlich niger, Königinnen herum. Ich hielt die Ganze Zeit Ausschau nach etwas bestimmtne, nämlich einer Chthonolasius. Alate, unbegatte Tiere hatte ich schon früher gefunden, eine begatte ist mir dann aber bis zu dem Zeitpunkt nicht über den Weg gelaufen.
    Gefühlte 100 niger weiter, sah ich tatsächlich eine! Leider entkam sie mir, und so machte ich mich am Abend wieder auf, eine neue zu fangen. In einem vermutlich ergiebigeren Gebiet! Denn Chthonolasius bevorzugen oft etwas schattigere Bereiche, teilweise in Totholz. Also machte ich mich auf an ein "grünes Fleckchen" mit einem kleinen Wald - kaum kam ich mit dem Fahrrad dort an, landete direkt eine Königin vor mir und ich konnte beobachten, wie sie ihre Flügel abstreifte.

    Ich nahm sie mit einer Fangbox- auf diesem Bild erkennt man gut die typischen Merkmale der Sozialparasiten. Insgesamt kleiner als Lasius niger, vor allem die Gaster ist sehr klein für eine Königin - aber der Kopf hingegen ist doppelt so breit, und hat Herzform, er sieht fast aus wie bei Lasius fuliginosus. Anhand des Königinnenbuckels kann man sie gut von Arbeiterinnen unterscheiden. Die Königinnen sind sehr flink, und durch die Kopfform gut gepanzert gegen ihre Wirtsameisen, welche durchaus Anfang feindlich gesinnt sein können. Die Farbe von Chthonolasius geht meist von dunkelbraun ins gelbe bis rote über, teilweise wohl artabhängig.

    Dann nahm ich sie mit, und suchte mir ein "Opfervolk" einer Lasius - Art. In meiner Hast fand ich keine Lasius niger, sondern wohl psammophilus (?- kann auch was anderes sein), aber ich denke, nein hoffe, das wird der Königin egal sein. Ich bin jetzt ganz gespannt, auf die Gründung. Habe ein paar Arbeiterinnen und viele Puppen mitgenommen. Ich werde die Königin hinzusetzen, sobald sich das kleine Volk beruhigt hat. Das letzte Jahr hatte ich das selbe versucht, allerdings wurde die Königin von den Wirtsameisen getötet - diese sind durchaus nicht blöd und im laufe der Koevolution an ihre Parasiten angepasst.


    Grüße, Phil

  • Hallo,


    ich bin fast jeden Tag, bzw. Abend, unterwegs. Am Mittwoch war es diesmal der alte, ehemalige Steinbruch, ein richtiges Trockenrasengebiet, in welchem auch ein Polyergus Vorkommen existiert.
    Aber ich habe die Polyergus diesmal nur nebensächlich betrachtet, und mich der überraschend großen Artenvielfalt direkt in den besonnten und nur mit kleineren Pflanzen bewachsenen Gebiet befasst. Hier findet sich auch, falls das jemanden interessieren sollte, sehr häufig Cladonia. Ein Bild einer solchen Stelle;

    Jedenfalls waren neben Tetramorium, Serviformica (rufibarbis, clara, cunicularia) Lasius (psammophilus u. alienus) vor allem Myrmica unterwegs. Meinen bisherigen Beobachtungen kommen dort min. 3 verschiedene Arten vor, eine davon mit Sicherheit Myrmica sabuleti, die andere wahrscheinlich schencki (allerdings unklar). Hier ein Bild einer recht einheitlich gefärbten, recht roten Myrmica, die ich als sabuleti identifizieren würde. Man erkennt den typischen Knicks im Scapus;

    Die Arbeiterinnen wurden natürlich mit Honig angefüttert.


    Die Lebensgemeinschaften der genannten Arten sind sehr beeidruckend und zweifelsfrei intakt, jede ökologische Nische ist durch eine Art besetzt. An den Grashalmen laufen immer wieder kleine Lasius empor, oberflächlich und groß rennen Serviformica umher. Im Grund leben Lasius flavus, die oft sehr große Hügel im Gras bilden, und im Unterholz und auch auf Pflanzen sind vorwiegend Myrmica unterwegs. Hier eine andere Art, ich bin mir sehr unsicher, aber möglicherweise könnte es sich um M. schencki handeln;


    Dann habe ich, zum ersten Mal bewusst wahrgenommen, ein weiteres "Glied in der Kette" gefunden. Bei der Zufütterung sind sie mir über den Weg gelaufen, klein und unauffällig, und sehr gelb. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um die auf Trockenrasen häufig zu findende Temnothorax interruptus. Sehr hübsche Art, die Nester waren wahrscheinlich im Moos, oder zwischen Wurzeln, oder in den Flechten... Wer weiß. Sie scheinen ein interessantes Verhalten zu haben, so ist es zumindest im Seifert beschrieben, aktives und gekonntes Jagen auf Collembolen, Springschwänze. Und auch sonst scheint es einige Besonderheiten zu geben, Microgynen. Werde sie sicherlich nochmal aufsuchen, und genauer untersuchen. Die Lichtverhältnisse waren nicht so toll, daher ist das Bild auch nur in einer bescheidenen Qualität.


    Ganz kurz noch, möchte ich nochmals auf die Polyergus zu sprechen kommen. Denn tatsächlich entdeckte ich ein weiteres Volk, während ihres Raubzuges. Es war deutlich kleiner als das große, mir bekannte Volk. Ich habe mir mal eine Arbeiterin kurz ausgeliehen, und dann wieder zum Raubzug entlassen. Anders kann man die ja gar nicht gescheit knipsen.


    Und, überall an den Nestausgängen der Lasius, fanden sich viele Reste; Reste von Puppen. Momentan schlüpfen sie anscheinend überall fast zeitgleich.

    Und übrigens, auch andere Insekten gibt es natürlich. Ein Heupferd:

    Oder, dafür ist das Trockenrasengebiet sehr berühmt, Bläulinge en masse. Die Larven leben oft mit Myrmica zusammen, teilweise als Symbionten, teilweise als Parasiten (artabhängig).

  • Hallo Phil!


    Auch von mir ein Lob fuer den tollen Bericht!


    Du hast das Glueck in einer gegen zu Wohnen in der es eine Vielfalt von Habitaten, und daraus resultierend, viele verschiedene Ameisenarten gibt. Bei mir sieht das etwas anders aus. In Bremen bleibt die Vielfalt etwas auf der Strecke man muss weit fahren um das ein oder andere zu gesicht zu bekommen. Bin wohl auch der einzige der weiss wo man in Bremen Camponotus ligniperda finden kann. Von den Formica arten haben wir eine Serviformica und eine Waldameisenart wohl Formica rufa, diese wurde aber sicher in unserem "Buergerpark" angesiedelt. Trotzdem werde ich es hoffentlich noch dieses Jahr schaffen mal zu zeigen was wir so haben hier im Norden :)


    LG, und weiter machen!


    Mathias

  • Hallo,


    ich war heute wieder im Trockenrasengebiet, und konnte endlich mal wieder was besonderes beobachten, nämlich Formica pratensis. Diese Ameisenart ist zwar nicht sonderlich selten, allerdings habe ich sie in besagter Umgebung noch nie gesehen. Komisch, dass ich sie bisher übersehen hatte, denn die hatten sogar einen recht hohen Ameisenhaufen in der Wiese. Sie waren gerade beim Umzug, eine lange Straße, auf der Arbeiterinnen Nestgenossinnen umhertrugen machte mich auf die Art aufmerksam.
    Das Nest:

    Arbeiterinnen:


    Grüße, Phil

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