Hallo liebes Forum,
vor kurzen war ich in den Alpen, genauer gesagt im Nationalpark Berchtesgaden, unterwegs. Vor allem neugierig war ich auf das Vorkommen von der Kerbameise Formica exsecta, und tatsächlich war ihr sogar in einem Tierführer speziell für Berchtesgaden eine Seite gewidmet, inklusive einer Angabe eines Fundortes. Leider erinnere ich mich nicht mehr an den Buchtitel.
Als die ersten Bergwanderungen erfolglos verliefen, versuchte ich also mit meinen Freunden den im Buch beschriebenen Fundort aufzusuchen. Dieser war Beschrieben als "Parkplatz auf der Mitterkaser-Alm". Wir wussten, wo die Mitterkaser-Alm war, hatten aber keine Ahnung, wo denn der Parkplatz zu der Alm zu finden sein soll. Auch eine genaue Inspektion der Landkarte half nicht weiter; wir beschlossen, einfach mal die Alm aufzusuchen und uns dort etwas um zusehen. Vielleicht würde der mysteriöse Parkplatz ja irgendwo noch auftauchen!
Besagte Alm befindet sich an der Nordseite unterhalb des Watzmanns, welcher mit 2713 m Höhe der höchste Gipfel von Berchtesgaden darstellt. Leider ist er touristisch gesehen ziemlich überlaufen. Die Mitterkaser-Alm selbst liegt dabei auf 1420 m Höhe, und wir erreichten sie zügig nach wenigen Stunden Wanderung, aber waren dafür dann ganz schön außer Atem. Von dem Parkplatz war aber weit und breit keine Spur! Ich untersuchte einige Waldameisennester entlang der Alm, fand jedoch nur Nest von Waldameisen. In meinen Kopf spielte sich schon ein absurdes Gespräch mit dem Almbesitzer ab, bei dem ich erklärte, dass wir nach einem Parkplatz mitten am Berg suchten, um dort eine bestimmte Ameise zu finden, weil das so im Tierführer stand. Ich vertrieb den Gedanken, und wir entschlossen uns, einfach noch etwas höher zu gehen und weiter zu suchen.
Zunächst stießen wir wieder nur auf Waldameisen, aber nach knapp 400 weiteren Höhenmetern fanden wir endlich das erste, langersehnte Nest der Kerbameisen. Die Hügel sind etwas kleiner als solche von Waldameisen, und das Material feiner. Die Ameisen selber sind ebenfalls ein ganzes Stück kleiner als Waldameisen, und erinnern auf den ersten Blick eher an Serviformica. Nun kam ein Nest nach dem anderen, und ich konnte sowohl die herrliche Aussicht in die Ferne genießen als auch die Übersicht über die kleinen Baumeister. Sie bevorzugen offene Standorte, die durch die Kühe stark beweidet waren. Dennoch würde ich den Ort nicht gerade als sonnenexponiert bezeichnen, da er sich auf der Nordseite des Berges befand. Es war kalt, aber das machte den Ameisen erstaunlich wenig aus und sie zeigten große, wenn auch langsame, Aktivität.
Ich entschuldige mich für die eher mäßige Bilder-Qualität, aber ich wollte bei der Wanderung nicht zuviel Equipment mitschleppen.
Habitat: Kuhweide am Hang des Watzmanns, etwa 1800m
Arbeiterinnen von Formica (Coptoformica) exsecta. Charakteristisch für diese Untergattung ist die deutliche Einkerbung am Hinterkopf.
Obwohl Formica exsecta an vielen Standorten in Deutschland vorkommt, und sich ihre Verbreitungsgebiet auch sonst weit in Europa und Vorderasien erstreckt, habe ich die Art vorher noch nie beobachtet. Dafür hätte ich nicht zwingend ins Gebirge gemusst; sie kommt auch im Flachland in geeigneten Offenhabitaten wie Heiden und Mooren vor. Die Art ist erstaunlich gut erforscht, besonders Aspekte ihrer Fortpflanzungsbiologie und Neststruktur; es gibt sowohl Kolonien nur mit einer Königin und einzelnen, mehr oder weniger isolierten Nestern (monogyn-monodom) als auch große Kolonieverbände mit zahlreichen Königinnen (polygyn-polydom). Interessant ist auch das Vorkommen und zwei verschiedenen Männchen-Morphen (klein: Micraner, groß: Macraner). Da ich keine Nester angegraben habe, bin ich mir nicht sicher, zu welchen Typ die Coptoformica in Berchtesgaden gehören.
Ich hoffe den Bericht bald mit weiteren Erfahrungen zu anderen Coptoformica-Vorkommen zu ergänzen.
Grüße, Phil
P.S.: den Parkplatz haben wir übrigens nie gefunden!