Hallo zusammen,
wie einige von euch wissen, war ich letztes Jahr von Februar bis April in Costa Rica und habe ein Forschungspraktikum bei Christoph von Beeren (TU Darmstadt: https://www.econetlab.net/dr-christoph-von-beeren) absolviert. Dabei habe ich zahlreiche Aspekte der Biologie von Treiberameisen untersucht, unter anderem ihre Fortpflanzung, ihre große Myrmekophilen-Diversität (Christophs Schwerpunkt), ihre Chemie (Oberflächen- und Alarmpheromone), und vor allem ihre Ernährung. Über letzteres habe ich meine Masterarbeit angefertigt, die seit kurzen fertig ist.
Ich möchte hier nach und nach einen Überblick über diese äußerst spannende Ameisengruppe geben, aber ich kann leider oft nicht zu sehr ins Detail gehen, da vieles noch nichts offiziell publiziert ist.
Die Forschung fand in Costa Rica an der sehr großen biologischen Forschungsstation 'La Selva' statt. Diese Station existiert seit den 60er Jahren, und ist die größte Forschungsstation in Mittelamerika. Man kann übrigens auch Tourist dort für einen stattlichen Preis unterkommen. Die Station ist sehr gut ausgerüstet mit modernsten Analysegeräten, klimatisierten Laboren und gut geschulten, lokalen Forschungsmitarbeitern. Das macht den Aufenthalt zwar weniger abenteuerlich, ist aber unheimlich erleichternd für den Alltag.
Hier ein Übersichtsbild der Station, das ich im Morgengrauen von einem Turm aus aufgenommen habe.
Der Wald ist gut zugänglich und es gibt sogar ein paar Kilometer an an asphaltierten Straßen. Der Wald ist natürlich strikt geschützt, sodass man nicht mal mit einer Machete umher wandern darf. Es handelt sich um Tieflandregenwald, der leicht vom atlantischen Klima geprägt ist. Im Prinzip ein klassischer immergrüner Regenwald wie man ihn sich vorstellt, mit allen schönen Getier das man so kennt; Pekaris, Jaguare, Pumas, Alligatoren, Tucane, etc.pp.. Und natürlich einer erstaunlichen Artenvielfalt an Treiberameisen.
Als Treiberameisen im engeren Sinne bezeichnet man Ameisen der Unterfamilie Dorylinae welche das sogenannte Treiberameisen-Syndrom aufweisen:
- Treiberameisen leben nomadisch, d.h. sie wechseln regelmäßig ihren Neststandort. Von Eciton weiß man, dass sie das während der nomadischen Phase täglich tun, bei vielen anderen Gattungen ist es wahrscheinlich auch so, aber insgesamt eher schlecht erforscht.
- Alle Treiberameisen sind Gruppenjäger. Dabei verlassen sie nicht auf einzelne Scouts, die nach Nahrung suchen und dann später die Kolonne irgendwo hinführen, sondern die Suche findet relativ zufällig statt. Die Kolonne bewegt sich recht zufällig mehr oder weniger in eine Richtung, und sammelt dann ein was sie findet.
- Die Königinnen von Treiberameisen haben eine spezielle Morphologie, die als 'dichthadiigyn' bezeichnet wird. Charakteristisch hier ist, dass die Königin keine Flügel besitzt, da sich Treiberameisen nur über Koloniespaltung vermehren. Sie hat außerdem ausgeprägte Ovarien, die aber nur während der stationären Phase richtig dick werden. Während der nomadischen Phase legt die Königin keine Eier, da sie recht leicht sein muss und gut ihren Neststandort wechseln kann.
Es gibt wahrscheinlich so um die 20-25 Treiberameisenarten im Regenwald von La Selva, die ich aber leider nicht alle gefunden habe; viele sind ausgesprochen selten. Ich habe ihre Ernährung untersucht, indem ich Beutestücke systematisch von Kolonnen abgesammelt habe. Insgesamt konnte ich 11 Treiberameisenarten besammeln, die ich alle nach und nach hier vorstellen werde. Sie gehören zu den Gattungen Nomamyrmex, Neivamyrmex und Eciton. Ich habe insgesamt über 3000 Beutestücken von 233 Kolonien besammelt.
Teil 1: Neivamyrmex
Neivamyrmex sind allesamt eher kleine, eher unscheinbare Arten. Die Gattung ist aber ausgesprochen groß, und die artenreichste Gattung in der Neuen Welt. Neivamyrmex ähneln mit ihren 2-5 mm großen, meistens eher monomorphen Arbeiterinnen eher kleinen Myrmicinen. Doch man sollte sie nicht unterschätzten, die Kolonien sind teilweise richtig gewaltig groß, deutlich größer als die von z.B. Eciton Arten. Man kann sich stundenlang an einen Trail setzen, und er versiegt scheinbar nie... Nur zwei Arten in La Selva sind recht häufig anzutreffen, die rötlichen Neivamyrmex gibbatus und die pechschwarzen Neivamyrmex pilosus.
Neivamyrmex gibbatus sieht man fast ausschließlich nachts, und wenn man die Kolonnen beobachtet, dann fallen einem oft die überraschend zahlreichen kleinen beflügelten Tiere auf. Dies sind keine Männchen, nein, nicht mal Ameisen: Es handelt sich um winzige parasitische Wespen der Familie Diapriidae. Warum diese so zahlreich sind ist ein Rätsel. Leider sind sie sehr flink, sodass es mir nie gelungen ist gut Aufnahmen hinzubekommen. Aber hier ist ein Bild von einem Umzug von Neivamyrmex gibbatus, man sieht die noch jüngeren Arbeiterinnen mit einer hellen Kutikula mitlaufen.
Neivamyrmex gibbatus sind von ihrer Ernährung her sehr spannend. Die Kolonnen sind oberirdisch, und sie durchsuchen die Streuschicht bis in etwa 1-2 m Höhe die Vegetation nach Nahrung. Diese besteht fast ausschließlich aus Ameisenbrut. Genommen werden dabei eine vielzahl an Arten, vorwiegend Pheidole und Aphaenogaster. Aber sie rauben auch gerne andere kleine Ameisen aus, die sie so finden, z.B. Nylanderia (kleine Formicinen) und Tapinoma. Besonders gerne nehmen sie auch kleine pilzzüchtende Ameisen, wie Cyphomyrmex und Apterostigma. Auf dem Bild sieht man N. gibbatus, wie sie ein Nest von Apterostigma collare ausrauben. Die schauen nur belämmert zu, wie ihre Brut rausgeräumt wird, die Arbeiterinnen versuchen sich nicht mal zu wehren. Ansonsten werden sie tatsächlich in Ruhe gelassen.
Hier eine Stacking Aufnahme von Christoph:
Neivamyrmex pilosus kann man sowohl tagsüber als auch in der Nacht auffinden. Sie zeigen einen etwas ausgeprägteren Polymorphismus als die anderen Neivamyrmex, und sind auch sonst etwas anders drauf. Man sieht sie zwar durch Tunnel in der Erde laufen, aber ihre Beute wird fast ausschließlich in den Bäumen und niedriger Vegetation gefangen. Sie sind absolute Spezialisten für Crematogaster, kleine Dolichoderus und sogar die sonst sehr wehrhaften Atzeca, die in Symbiose mit Cecropia Ameisenpflanzen leben. Keine andere Treiberameisenart traut sich an die ran. Interessant ist ein recht intensiver Geruch, den ich nur schwer beschreiben kann, der auf ein relativ effektives Wehrskret hinweißt.
Hier noch ein Stacking-Bild von Christoph:
Die dritte Art im Bunde ist Neivamyrmex asper. Ich habe sie nur zwei Mal aufgefunden während meines gesamten Aufenthaltes, und kann daher nicht viel über sie erzählen. Sie sind ein ganzes Stück kleiner als N. gibbatus und N. pilosus, und deswegen auch weniger auffällig. Auch vermute ich, dass sie eher unterirdisch leben. Ihre Beute waren kleine Ameisen aus der Streuschicht, so z.B. die kleinen Schnappkieferameisen Strumigenys sowie Solenopsis. Seit ihrer Erstbeschreibung in den 50ern von Borgmeier wurde nichts über die Biologie dieser Art beschrieben, was sie natürlich schon etwas spannend macht. Ein Bild habe ich leider nicht.
Das war erstmal der erste Teil. Es wird noch einige weitere geben, seit gespannt. Diskutiert werden darf direkt hier drin.
Grüße, Phil