Aufzucht einer Costa Ricanischen Polistes

  • Ich eröffne hier mal diesen Thread, wobei ich selber noch nicht sicher weiß, wie er sich entwickeln wird. Das hängt natürlich stark davon ab, was überhaupt passiert. Es geht um die Aufzucht einer Polistes goeldii Königin die ich aus Costa Rica mit nach Deutschland genommen habe. Sie hatte dort bereits ein kleines Gründungsnest mit drei Zellen gebaut, welches auch schon drei Eier beinhaltet. Die Königin habe ich mitsamt Nest in einem kleinen Fangbehälter mitgenommen, mit dem ich vor dem Direktflug noch 9 Tage im Land umhergereist bin (ich war auf einer tropenbiologischen Exkursion). Bevor die Queen also in ihr jetziges Setup gekommen ist, sind also zehn Tage auf Reise vergangen.


    Die Königin ist schlussendlich lebendig mit mir angekommen und dann sofort in ihr Setup gekommen, ihr Nest habe ich mit Holzleim an der Decke von diesem befestigt. Als Käfig dient ein Stoff-Mesh-Aerium von Bioform mit den Maßen 40x40x60cm, wobei eine Seite aus durchsichtiger Plastikfolie besteht. Sie hat ständigen Zugang zu Zucker in Form von Agavendicksaft und Wasser, Proteine habe ich bisher zweimal angeboten, diese wurden nicht angerührt, wahrscheinlich besteht noch nicht der Grund dazu. Zucker und Wasser werden aufgenommen. Als Baumaterial liegen Styropor, Karton, trockene Grashalme und alte, "morsche" Brennnesselstängel von letzter Saison im Aerium. Die Queen ist jetzt seit 6 Tagen im Aerium. Sie fliegt tagsüber sicher in ihm umher, seit zwei Tagen wird sie jedoch deutlich inaktiver und sitzt ausschließlich am Zucker- und Wasserspender. Ihrem ehemaligen Nest schenkt sie keine Beachtung mehr, es hängt verlassen an der Decke.


    Wie ihr seht, haben sich also schon Probleme aufgetan, und das ist auch ein Grund warum ich diesen Thread verfasse, eventuell fallen euch ja Verbesserungsvorschläge ein.

    Das wohl größte Problem besteht darin, dass die Queen ihr ehemaliges Nest verlassen zu haben scheint. Sie schläft nicht mehr auf ihm, am Tag beachtet sie es auch nicht weiter und gebaut wird daran auch nicht mehr. Anfangs habe ich sie nachts zurück auf ihr Nest gesetzt, aber sie verlässt es am nächsten Morgen sofort wieder und kehrt sie nicht zurück. Sie ist in meiner Anwesenheit (die wegen Corona recht lang ist) zweimal von alleine zum Nest zurückgekehrt, und zwar nachdem sie sehr lange Zucker oder Wasser zu sich genommen hat, allerdings hat es nicht den Anschein erweckt, dass sie etwas verfüttert hat. Und ich habe noch nie davon gehört, dass Königinnen immer nur zur Fütterungen zum Nest zurückkehren. Vielmehr gehe ich davon aus, dass das Nest als Landestruktur dient, wenn sie wieder an die Decke des Aeriums möchte.


    Natürlich habe ich mir schon Gedanken gemacht, und mich zusätzlich mit einem italienischen Studenten, der schon mehrere Jahre lang Polistes Arten aus dem deutschen und italienischen Raum hält, unterhalten.

    Zusammen sind wir auf diese möglichen Gründe gekommen, weshalb das alles nicht so funktioniert wie ich es mir erhoffe:

    1. Die Queen ist schon zu lange Stress ausgesetzt gewesen.

    2. Das Aerium ist nicht zur Wespenhaltung geeignet. In Labors und auch bei anderen werden die Wespenvölker immer in Terrarien oder Plexiglasboxen gehalten, das Mesh könnte nämlich evtl. Lichtspektren filtern, die die Wespen eigentlich brauchen. da bei meinem Setup allerdings die Plastikfolie die Wand ist, durch die ein Großteil des Lichts kommt, könnte dieser Punkt eventuell vernachlässigbar sein.

    3. Die Wespe hat generell zu wenig Licht. Das ist gut möglich, alle meine Fenster zeigen nach Westen, das heißt direktes Sonnenlicht fällt nur zwischen 12:45 Uhr bis zum Sonnenuntergang in die obere Hälfte des Aeriums. Man erkennt gut, dass sowohl P. goeldii als auch P. dominula, die ich parallel daneben halte, nur bei direktem Sonnenlicht wirklich aktiv sind.

    4. Die Art lässt sich schlichtweg nicht in Gefangenschaft halten. Das kann natürlich sein, aber momentan möchte ich erstmal alle anderen Gründe beseitigen, um zumindest alles versucht zu haben.


    Um die Probleme zu beseitigen habe ich folgende Möglichkeiten:

    1. Umsiedeln von Aerium in eine Exoterra Plexiglasbox. Diese wäre kleiner, 15x10x30cm, würde aber kein Licht "abfiltern". Allerdings würden sich bei gelungener Gründung irgendwann Probleme auftun, da die Nester von P. goeldii durch ihren speziellen Bau auf mehr Platz als 30cm angewiesen sind.

    2. Kauf von Lampen, die das gesamte Tageslichtspektrum abdecken. damit könnte ich für einen längeren Aktivitätszeitraum sorgen, aber im momentanen Corona Wahn weiß ich nicht, wie schnell ich an diese Lampen, samt Fassung und Gestell, komme.

    3. Umrahmen des Nests mit Karton mit einem Abstand von 3cm zum Nest, um ein besseres Mikroklima zu schaffen, und etwas "Schutz". Momentan hängt es frei in der Box.


    Generell versuche ich natürlich, den Stress für die Königin so sehr wie möglich zu reduzieren. Deshalb frage ich auch euch um Rat, da ich mir erstmal die Meinung Anderer anhören möchte, bevor ich handle. Vielleicht habt ihr ja ein paar hilfreiche Tipps.


    Danke im Voraus,

    Paul :thanks:


    Hier mal eine Polistes goeldii des Nachbarnests aus Costa Rica:


    Ein anderes Nest in Komplettansicht:


    Und hier das Setup in dem sich die Königin gerade befindet:

  • Hallo Paul.

    Eine sehr schöne Wespe.

    Ich würde auf jedem Fall versuchen, ein größeres Terrarium zu verwenden. Die Dinger von Exoterra sind dafür gut geeignet. Wenn du da eins brauchst, kannst du gerne eines von mir haben. Müsstest du nur abholen, irgendwie. Kostet dir ansonsten nichts. Du kannst mich anrufen oder mir per Whattsapp schreiben, Nils hat meine Nummer.


    Mit solchen Polistes wie dieser habe ich auch wenig Erfahrung. ich kenne bisher nur solche Arten aus eigenen Erleben, die eher "tellerförmige" Waben/Nester errichten wie die heimischen Arten. Solche Arten, heimische, südamerikanische (ohne anhaltenden Erfolg) und eine südafrikanische (die ich von Roger und Chris mal erhielt, wofür ich heute noch sehr dankbar bin) hielt ich bisher in Treibhaus und in Terrarien. Die meisten Polistes können sehr gut in relativ kleinen Refugien leben, sie navigieren und fliegen sicher im begrenzten Flugraum. Aber sie brauchen m.E. darin naturähnliche Bedingungen. Es sollten vielleicht darin aufrechte Pflanzenstengel stehen, trocken, an denen sie nagen können und Baumaterial finden. Unterschiedliche Arten, sie sollten einfach eine Auswahl haben. Vielleicht auf lebende Pflanzen, Holz, abwechslungsreiche Umgebung. Nachempfunden dem, wo man die Tiere gefunden hat. Wasser sollte auch immer verfügbar sein.

    Auch meine Feldwespen haben oft anfangs lange Zeit nicht ihr Nest beachtet, wenn sie eines bereits hatten aus dem Freiland. Die Südafrikanerin begann irgendwann, nach einiger Zeit, ein neues zu errichten. Dann begann sie auch, wirklich intensiv nach Baumaterial zu suchen. Sie war dabei sehr wählerisch und entschied sich irgendwann für einen trockenen Stengel einer alten Distel.

    Die Tiere sind sehr clever. Wenn sie es wollen, kommen sie gut mit halbwegs guten Bedingungen zurecht. Aber manchmal sieht es auch so aus, als ob sie sich einfach aufgeben. Das haben ich mit meinen Südamerikanerinnen erlebt. Die bauten nicht, beachteten das Nest nicht usw.. Heute denke ich, vielleicht waren das eben unbegattete Arbeiterinnnen. Das ist möglich und für den Sammler im Freiland nicht leicht erkennbar.

    Licht ist natürlich wichtig. Aber für Bewohner des tiefen Regenwaldes sollten Bedingungen reichen, die an einem stundenweise besonnten Fenster erreicht werden.

    Diese Art scheint ihr charakteristisches Nest freihängend zu errichten, die Bauform ist sicher einen Anpassung an starke tropische Regenfälle. Diese Nester haben eine kleine Oberfläche, wenig Wasser trommelt auf das Nest. Andere Arten bauen andere Nester unter Blättern oder sonst irgendwie geschützt. Ich würde das Nest bei dieser Wespe auch im Terrarium freihängend an einem Zweig o.ä. anbieten. Aber ich würde eine, wenigstens zeitweise am Tag, erhöhte LF anbieten. Eine Wasserfläche im Terrarium wäre hilfreich, ebenso vielleicht Sprühen zu bestimmten Zeiten. Stammt das Tier aus einem Trockenwald oder aus einem feuchten Regenwald? Wie ist der Jahreszyklus der Art? Viele tropische Arten der Region "überwintern" die Trockenzeit in höheren Regionen und nutzen die Regenzeiten für den Nestbau und die Reproduktion im Tiefland. Die wohl meisten Arten haben daher auch dort nur einjährige Nester, Kolonien.


    Edit: Die Polistes-Arten, die ich kenne, sind eigentlich immer spezialisierte Jägerinnen. Sie jagen vorzugsweise nackte Schmetterlingsraupen. Dafür durchfliegen sie im Suchflug die Vegetation, beschnuppern mit den Antennen Objekte, die sie visuell ausgemacht haben und greifen zu, wenn ein Beutetier gefunden wird.

    Ich konnte damals mit Wachsmaden füttern. Diese wurden gut angenommen, mussten aber natürlich zuvor getötet werden. Später, als es Larven gab, wurden auch Mehlwürmer und sogar tote, aufgespießte Grillen verwertet.

    Die Kolonien tropischer Faltenwespen sind bekanntermaßen oft Opfer spezialisierter Treiberameisen. Ich denke, dass Trauma, die auf Eingriffen am Nest und am Leben einer solchen Wespe beruhen, diese schnell dazu bringen, vom Nest abzulassen. Diese meidende Verhalten schützt dann wenigstens das Leben der ausgewachsenen Tiere, wenn das Nest verloren gegangen ist. Möglich, dass die Wespen nun den Kontakt zum Nest vermeiden, wenn sie ähnliches erlebt haben. Man kann aber hoffen, dass sich die Wespe die Sache nochmal überlegt (das kann sie nach meiner Überzeugung) oder dass die Wespe neu zu bauen beginnt, wenn sie sich eingelebt hat und sich wohlfühlt. Dafür muss sie aber das Nötigste vorfinden und sich wohl und sicher fühlen. Gute Proteine (vielleicht die Zuckerlösung vorsichtig mit wenig Proteinen anreichern?), Zucker usw.. Wenn sie Proteine zu sich nimmt, wird sie hoffentlich irgendwann den Drang verspüren, ein Nest bauen zu wollen oder das alte zu nutzen. Die Ovarien werden vielleicht aktiviert.


    LG, Frank.

  • Hi Frank,


    danke schonmal für deine Hilfe. Bezüglich des Terrariums würde ich mich bei dir über Whatsapp melden. Deinen Haltungsbericht hier im Forum über die südafrikanische Polistes habe ich mir bereits durchgelesen, dieser war sehr hilfreich, und hat mir gezeigt dass ich meine Haltungsparameter schon recht ähnlich gestaltet habe.


    Meine Königin hat sich auch schon sehr gut an ihr Aerium gewöhnt, sie fliegt darin sicher umher. Wasser ist immer verfügbar, unterschiedliche Pflanzenarten als Baumaterial lassen sich realisieren. Die Luftfeuchtigkeit hoch zu halten wird im Aerium problematisch, ich sprühe tagsüber zwei bis dreimal, aber durch das Mesh trocknet alles schnell wieder ab. Hier könnte aber das Problem liegen, ich muss mir hierzu etwas überlegen.

    Das Tier stammt aus La Gamba, das Habitat ist tropischer Tieflandregenwald. Dort habe ich auch schon "ausgewachsene" Kolonien dieser Art gefunden, manche haben schon neue Geschlechtstiere großgezogen. Der Lebenszyklus dieser Art spielt sich also insgesamt im Tieflandregenwald ab. Leider findet man nicht viel über diese Art, da sie generell als recht selten eingestuft wird, weshalb auch sehr wenig über sie bekannt ist. Über den Jahreszyklus kann ich dir also keine Info geben, allerdings habe ich das Gründungsnest, das bisher nur Eier enthält, Mitte März gefunden, zusätzlich habe ich ein Männchen der Art zur selben Zeit gefangen. Es hat also den Anschein, dass sich die Tiere momentan reproduzieren und neue Nester gründen. Von einer Kommilitonin wurde im selben Gebiet ein zweites Gründungsnest dieser Art gefunden. Das Tier, das ich hier in Deutschland habe, ist zweifellos eine Königin. Ihr kleines Nest hat noch in der ersten Zelle ein Ei, Arbeiterinnen wurden also noch nicht großgezogen. Desweiteren ist eine Gründung via Pleometrose ausschließbar, ich habe in Costa Rica ein benachbartes Nest für mein Experiment für mehrere Stunden beobachtet und deshalb mein Gründungsnest auch im Blick gehabt, die Königin war ständig allein.

    Interessanterweise geht die einzige Publikation über diese Art, die ich beim kurzen Suchen im Internet gefunden habe, davon aus, dass das Nest aus Tarnungsgründen so länglich gebaut wird, und einem Ast ähneln soll. Aber ein Schutz vor zu starkem Regen ist auch gut möglich.


    Ich fürchte fast, dass die Königin, so wie deine Südamerikanerinnen, sich gerade einfach aufgibt. Zumindest hält sie sich selber am Leben, so kann ich noch Parameter ändern. Ich will den Kopf noch nicht in den Sand stecken, um es mal schön zu formulieren. Proteine biete ich oft an, angenommen werden sie nie. Meine letzten Mehlwürer wurden verschmäht, aufgeschnittene Zophobastücke garnicht beachtet. Wachsmottenlarven möchte ich probieren, die habe ich aber bisher noch nicht bekommen. Während der Reise durch Costa Rica habe ich einmal eine kleine Raupe gefüttert, die während meiner Abwesenheit entweder gefressen wurde oder ausgebüchst ist, was auch gut möglich sein kann. Ich muss mir bezüglich der Proteine mal Gedanken machen.


    LG, Paul

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!