Honigbienen als einheimische Wildtiere.

  • Die Honigbiene, ein Wildtier?


    Ich wusste nicht, dass es Honigbienen gibt, die als einheimische Wildtiere in den mitteleuropäischen Wälder und Heiden seit langer Zeit leben, oder lebten. Gut angepasst an das mäßig warme, atlantisch beeinflusste Klima Mittel- und Westeuropas, mit seinen nassen, langen Wintern. Bisher hielt ich Apis mellifera für eine einzige, fast einheitliche Art mit einigen Rassen oder Zuchtformen. Dieses (Un)wissen vertrat ich dann auch mit einiger Beharrlichkeit.

    Natürlich wusste ich, dass es neben den europäischen Honigbienen verschiedene asiatische, afrikanische Honigbienen gibt und dazu noch andere Apis-Arten im indoasiatischen Raum, aber für die europäischen Honigbienen war bei mir alles klar. Eine Stammform, daraus entstanden eine Menge an gezüchteten und kaum noch selbstständig lebensfähigen Nutztier-Rassen.

    Man kann dazu lernen.


    Eine sehr interessante Seite mit verschiedenen Beiträgen gibt Möglichkeiten, sich etwas einzulesen in dieses Thema : https://bienen-dialoge.de/wild…schleuder-oder-genschatz/


    Es scheint so zu sein, dass solche alten Stammformen sehr viel besser mit Parasiten und Erkrankungen wie Nosema und Varroa zurecht kommt. Verglichen mit den Hochleistungsbienen, die heute überwiegend beimkert werden.

    In Deutschland scheint diese wildlebende Dunkle Honigbiene, Apis mellifera mellifera, ausgestorben zu sein. Aber sie ist noch nicht völlig verschwunden, es gibt in anderen Ländern noch Vorkommen.

    Auf der Seite wird auch darüber berichtet, dass neben den wilden Stammformen der Honigbienen auch das Nutztier Honigbiene das Potenzial hat, mit den Krankheiten und Parasiten zurecht zu kommen. Es braucht neue und andere, weniger intensive Formen der Haltung und Nutzung. Weniger Völker an einem Ort, größerer Abstand zwischen ihnen, kleinere Völker. Das alles ist natürlich noch nicht für jeden hauptberuflichen Imker attraktiv.


    LG, Frank.

  • Vorwort: Ich bitte um Entschuldigung! Mein Beitrag ist viel umfangreicher als gewollt und vielleicht weniger klar als angebracht geworden. Und dennoch wird Vieles nur angerissen. Pflückt euch einfach raus, was euch interessiert.


    Hallo zusammen!


    Das Wildtier Honigbiene - ein sehr aktuelles und natürlich auch interessantes Thema. Der Trend darüber zu diskutieren ist vielleicht auch dem neuen Buch von Prof. Tautz "Honigbienen - geheimnisvolle Waldbewohner" geschuldet. Leider hatte ich bisher noch keine Gelegenheit dieses Werk zu lesen.

    Ich bin über die Darstellung, auch und v.a. auf bienen-dialoge.de, ein wenig unglücklich.

    Deswegen mein Beitrag:

    Wir haben die Westliche Honigbiene Apis mellifera, die sich nach der letzten Eiszeit in Europa an die jeweils örtlichen Gegebenheiten ihres Verbreitungsgebietes angepasst und in diesem Zuge viele Unterarten/Rassen/Varianten gebildet hat.

    Karte zur natürlichen Verbreiteung der Rassen der Westlichen Honigbiene

    Bei uns war also Apis mellifera mellifera, die sog. Dunkle Biene verbreitet und diese war/ist an ein bewaldetes Mitteleuropa angepasst.

    Nun kam der Mensch und begann die Honigbiene zu bewirtschaften. Zunächst in Form der Zeidlerei, später dann auch in Beuten (erst Stabilbau, dann Mobilbau), so wie wir es heute kennen.

    Und hier nun in aller Deutlichkeit: Es wurde mit der Dunklen Biene A. m. mellifera geimkert. Die Dunkle Biene war hier schon längst kein reines Wildtier mehr. Auch wurde in einer Kulturlandschaft geimkert, die mit den bewaldeten Flächen Mitteleuropas nach der Eiszeit schon nicht mehr viel gemein hatte. Das Habitat, an das A. m. mellifera ursprunglich angepasst war, gab es nur noch in Form der stehengebliebenen Waldflächen.

    Ab der Mitte des 20. Jh. wurde von den deutschen Imkern dann die Kärnter Biene A. m. carnica eingeführt. Diese hatte durch ihre Anpassung an ihre ursprüngliche Region eine wesentlich schnellere Frühjahrsentwicklung (d.h. die Völker gewannen schneller an Volksstärke) und die deutschen Imker konnten somit frühe Trachten (Nektarquellen), die die moderne Landwirtschaft nun bot (v.a. Raps) und die Obstbaumblüte besser nutzen. Man hat sich also eine Bienenrasse ins Land geholt, die mit den Begebenheiten der modernen Landwirtschaft besser zurecht kommt als die ursprüngliche Dunkle Biene.

    Die Rasse Carnica gewann in der Imkerschaft an Beliebtheit und verdrängte die Haltung der Dunklen Biene nach und nach. Die Mischung aus der neu eingeführten Carnica und der alten Melifera nannte man "Landbiene" (das wird auf bienen-dialog.de unklar/falsch dargestellt). Diese Landbiene hatte unangenehme Eigenschaften, wie u.a. erhöhte Stechlust.

    [Ich merke gerade mein Beitrag wird zu lang. Deswegen fasse ich mich ab hier kürzer.]

    Aktuell wird in Deutschlad v.a. mit folgenden Rassen/Varianten geimkert:

    A. m. carnica (überwiegend)

    A. m. mellifera (ja, auch diese Rasse wird in Deutschland von Imkern noch gehalten)

    "Buckfast"-Biene (eine Kunstform, die durch züchterische Eingriffe entstand, aber sehr begrüßenswerte Eigenschaften hat)

    Jetzt schnell zur Paarungsbiologie:

    Eine junge Bienenkönigin fliegt aus und paart sich mit mehreren (ca. 14) Männchen (Drohnen).

    Die Tiere fliegen für die Begattung 5 bis 8 Kilometer!

    Alle Rassen der Honigbiene kreuzen sich untereinander.

    Meine Folgerung: überall, wo Honigbienen gehalten werden, kann es in einem Umkreis von 8 km keine genetisch unbeeinflussten Populationen von Apis mellifera mellifera geben. Wenn man nun bedenkt, dass Bienenschwärme auch wandern, so finden wir wohl in ganz Deutschland/Europa keine "wilden Honigbienen" (im Sinne von bienen-dialog.de) mehr.

    Zum Thema Varroatoleranz/Varroaresistenz:

    Es ist bekannt, dass verwilderte Bienenvölker durch häufiges Abschwärmen und geringe Volksstärken auch jetzt schon (gerade einmal 50 Jahre Zeit für die "Evolution") mit der Varroamilbe zurecht kommen. Nur mit solchen Bienen kann man nicht imkern. Aber gut, warum sollte man dann noch imkern? Lassen wir doch die Bienen wieder wild leben und so können sie auch ihre Bestäubungsarbeit leisten, oder?

    Hier kommt die gleiche Antwort zum Tragen wie beim Szenario: "Wir lassen einfach alle Honigbienenvölker Europas 10 Jahre ohne Behandlung. Dann sterben alle, die nicht mit der Varroa zurecht kommen und mit den paar, die durchkommen fangen wir dann neu an." Natürlich habe auch ich (als Biologe und Imker) schon an diese natürliche Art das Problem zu lösen gedacht. Aber das ist weltfremdes Wunschdenken im wissenschaftlichen Elfenbeinturm.

    Die Honigbiene ist nach Schwein und Rind wirtschaftlich gesehen unser drittwichtigstes Nutztier. Es geht um Milliardenumsätze, v.a. wegen der Bestäubungsleistung. Hier setzt man nicht einfach mal ein paar Jahre aus. Das ist weltfremd. (Bezieht sich auf den Vorschalg von bienen-dialog.de)

    Abschließend noch zum Thema "naturnahe Bienenhaltung":

    Die moderne Imkerei unterdrückt den Schwarmtrieb der Honigbiene. Es sollen zur Trachtzeit ("wenn der Honig gemacht wird") möglichst viele Bienen im Volk sein, um viel Honig ernten zu können.

    Die "naturnahe Bienenhaltung" möchte die Bienen gemäß ihrer Natur schwärmen lassen.

    Dazu gibt es viele Argumente und viele Verfahren und Zwischenstufen.

    Ich möchte hier nur schnell zwei Aspekte vorbringen:

    1. Viele Bienenschwärme finden in unserer Kulturlandschaft keinen geeigneten Unterschlupf und verenden.

    2. Bienenvölker, die ungewollt in besiedeltem Gebiet Unterschlupf finden, sind ein Ärgernis für die Betroffenen und können ganz erhebliche Kosten verursachen.

    Für mich als Imker sind das zwei sehr gewichtige Argumente meine "Emissionen" an Bienen so gering wie möglich zu halten.


    Die Honigbiene, ein Wildtier: verwildert ja, ursprünglich wohl nicht mehr, aber sie kommt auch sehr gut ohne uns zurecht, wir ohne sie eher weniger.


    Viele Grüße

    Bastian

  • Hallo Bastian, danke für dein ausführliches Statement.

    Du schreibst eingangs: "Ich bin über die Darstellung, auch und v.a. auf bienen-dialoge.de, ein wenig unglücklich." Das verstehe ich noch nicht so recht.


    Im Großen und Ganzen sehe ich keine wichtigen Widersprüche. Ich fand auf der Seite zB. nicht Forderungen nach Verboten der wirtschaftlichen Nutzung der Bienen, das wäre ja auch komisch. Falls es das ist... Vorschläge in die eine oder andere Richtung sind Versuche, ein Nach- oder Umdenken anzuregen und müssen nicht als Doktrin betrachtet werden, glaube ich. Vielleicht als Anregungen dafür, unseren Umgang mit Nutztieren, dazu gehört die Honigbiene, zu überdenken. Jeder kennt ja die Bilder der industriellen Großimkerei in der Welt.


    Nur um das zu sagen. Ich wende mich nicht gegen die Imkerei, wer bin ich denn.

    Außerdem, meine für die Sache hier unerheblichen, frühesten Erfahrungen mit sozialen Insekten sammelte ich auf den Bienenstand meines Onkel Paul in Finkenkrug. Der war begeisterter Imker, liebte seine Bienen über alles und besaß 40 Völker. Hier sah ich auch zum ersten Mal Hornissen, die am Bienenstand Bienen raubten und die meinen Onkel nicht beunruhigten. Die mochte er nämlich auch. Ebenso sogar Hummeln, die versuchten, angelockt vom verführerischen Duft in die Bienenbeuten einzudringen und noch viele andere Insekten, die etwas abhaben wollten vom Honigreichtum des Biens. Ich glaube, eine verantwortungsvolle Imkerei ist Bienen- und damit Tierschutz. Dabei können aber neue Erkenntnisse und Erfahrungen berücksichtigt werden.


    Natürlich ist die Honigbiene ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Das doch aber neben Schwebfliegen, Schmetterlingen, Wespen, anderen Fliegen bis hin zur Schmeißfliege, den kälteresistenten Hummeln mit einigen Arten, den Wildbienen usw..

    Alles wichtige Bestäuber und wenn ich durch die (wirtschaftlich wenig oder nicht genutzte) Landschaft gehe, sehe ich v.a. Hummeln und Blumenfliegen heute als die wichtigsten Bestäuber. (Honigbienen werden zB. an die Rapsfelder herangekarrt, um sie danach woanders hin zu verfrachten. Womit sie dann weitgehend wieder verschwinden und damit fast bedeutungslos werden in einer Region). Viele von den anderen bestäubenden Insekten verschwinden nach und nach. Die als Nutztier gehaltene Honigbiene noch nicht, wildlebende Honigbienen dagegen schon.


    Honigbienen kann man billig und massenhaft produzieren. Sie sind eine Ware.

    Wenn die Tiere leiden, unter den Einsatz verschiedenster Chemikalien in der Landwirtschaft, wird das manchmal im Kauf genommen. Wenn die Tiere gestresst sind, zB. weil vielleicht ihre Völker zu groß sind, der Schwarmtrieb unterdrückt wird, also der natürliche Fortpflanzungstrieb der Art, die Völker eben doch in allzu großer, nicht arttypischer Nähe zueinander stationiert werden, was es Parasiten und Krankheiten oder Übergriffen zwischen den Völkern leichter macht, und wenn all das vor allem deswegen unternommen wird, weil die Honigbiene ein wirtschaftlicher Faktor ist, dann ist die Frage doch erlaubt, ob all das wirklich nötig ist oder ob man nicht vielleicht doch andere Wege gehen kann. Wenigstens ganz langsam und vorsichtig. Es gibt, soviel ich weiß, hohe ethische Zielsetzungen und Ansprüche auch in der Honigindustrie. Wie in jeder Industrie.


    Dass die Dunkle Honigbiene bei uns verschwunden ist, wird nicht geleugnet, glaube ich. Dass es zu Vermischungen und Einkreuzungen der Rassen kommt, wenn die junge Bienenkönigin zum Hochzeitsflug ausfliegen darf (was ja nun sicher nicht selbstverständlich ist), ist doch selbstverständlich.


    Zuletzt. Der Aufwand, der heute betrieben wird, um die Honigbiene zu nutzen bzw. auszubeuten, ist hoch und lohnt sich wohl. Der Aufwand, der nötig wäre, wenigstens einen Teil der Population eine Überlebenschance in Freiheit, fern der "Obhut" des Menschen zu ermöglichen, ist vergleichsweise winzig und lohnt sich sicher auch.

    Baumhöhlen sind selten und es braucht dann eben andere Möglichkeiten, die bereitgestellt werden könnten. Sicher machbar. Und es würde vielleicht großflächig eine Population entstehen, die ganz gut mit den Problemen zurecht kommt, die unsere Nutz-Honigbienen so belasten.


    Danke auch für den Buchtipp. Hab ich mal bestellt und freu mich drauf.

    Ein kurzes Interview mit Prof. Tautz : https://www.daserste.de/inform…isch-tautz-video-100.html

    Hier noch eine sehr lesenswerte Buchrezension, die man vielleicht lesen sollte:

    https://bienen-dialoge.de/buch…-arndt-und-juergen-tautz/


    LG, Frank.

  • Hallo!


    Für mich sind die Züchtungen ein Teil des Problems an sich. Wo man in der Nutztierhaltung hinschaut wird gezüchtet, optimiert und versucht an den Genen zu Schrauben, was das Tier hergibt. Von Turbokühen, die kaum noch das Gewicht ihrer Euter tragen können, über Gänse die man drei mal rupfen kann, bis hin zur sanften Honigbiene, die sich aufgrund ihrer Züchtung schon nicht mehr selbst zu helfen weiß.


    Das soll keine Kritik an der Imkerei an sich sein und in Europa/Deutschland ist es auch noch nicht so extrem wie z.B. in den USA. Dennoch müssten Bienen wieder Bienen sein dürfen. Die Haltung müsste wieder ein Stückweit natürlicher sein. Das wird den Honigpreis sicher auf 10 - 12 € pro Glas treiben, aber das sollte es uns wert sein, finde ich.


    Grüße

    Mathias

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!