Eine stille Katastrophe.

  • Noch ein paar weitere, sehr spannende Erkenntnisse aus der Studie:


    Die Untersuchungsflächen sind ausschließlich Wald oder Grassland (d.h. Kuhweiden, Schafweiden etc.). Diese sind variabel in ihrer Landnutzungsintensität (z.B. wie oft pro Jahr gemäht wird), aber grundsätzlich werden keine Pestizide auf solchen Flächen angewandt (im Gegensatz zu Ackerflächen, die nicht Teil der Studie waren). Eine intensiv genutzte Fläche hat logischer Weise eine geringe Artenzahl und Abundanz als eine extensiv genutzte. ABER: Die Landnutzungintensität hat keine Auswirkungen auf die Rate des Insektenverlusts über die Jahre, d.h. sowohl in einer öko-landwirtschaftlich genutzten als auch in intensiv beweideten Flächen gingen die Artenzahlen - und Häufigkeiten herunter!


    Weiterhin:
    -sowohl häufige als auch seltene Arten nahmen in ihrer Häufigkeit im Grassland ab. In Wäldern wurden seltene Arten immer seltener, aber häufige Arten immer häufig (insbesondere auch invasive Arten)


    -Orte mit höher Baumsterberate haben weniger Artverlust. Totholz ist ein wichtiger Lebensraum für viele Insekten, und nicht genug in der deutschen Forstwirtschaft vorhanden


    -Die Umgebung ("Matrix") hat Auswirkungen auf das Grassland, aber nicht im Wald: Je mehr landwirtschaftlich genutzte Fläche um eine Untersuchungsfläche herum war, umso geringer waren die Artenzahlen und Häufigkeiten. Ob der Effekt durch Pestizideinsatz oder andere Faktoren ausgelöst wurde, ist nicht bekannt.


    Alle Indizien deuten darauf hin: Insekten in Deutschland werden deutlich weniger, und zwar egal ob in Naturschutzgebieten (Krefelder Studie von 2016), intensiv/extensiv genutzen Grassflächen oder intensiv/extensiv genutzen Wäldern. Es gibt auch keine Hinweise darauf dass der Klimawandel eine bedeutende Rolle spielt. Die im älteren Post erwähnte Aussterbeschuld (Eine stille Katastrophe.) halte ich persönlich immer noch für die beste Erklärung, auch wenn schwer zu verstehen ist wieso die Effekte der Landnutzungsänderung, die ca. in den 70ern ihren Höhepunkt hatte, jetzt immer noch ihre starken Auswirkungen zeigt.


    Grüße, Phil

  • Weitere gute Neuigkeiten: Zumindest die Motten in Großbritannien sind nicht vom plötzlichen Biomasse-Einbruch betroffen, zeigt eine brandneue Studie. Der Aufnahmezeitraum der Daten erstreckt sich von den 1960ern bis heute, und es wurden nur Daten von Lichtfallen verwendet die mindestens 30 Jahre lang am selben Standort in Betrieb waren.
    Auch wenn es einen ca. 10% -igen Rückgang der Biomasse seit den 80ern gibt, ist die Biomasse heute sogar etwas höher als in den 60ern. Es zeigt sich, dass die Populationen sehr stark schwanken, sowohl in Betracht des Gesamtzeitraumes als auch innerhalb einer Dekade, was die Interpretation erschwert: Wenn sich eine Studie z.B. nur 10 Jahre anschaut, wird sich aus der Datenlage keine Rückschlüsse ziehen lassen.


    Interessant ist vor allem, dass die Variationen der Biomasse weder Temperatur noch Niederschlag folgen - auch scheint die intensivierte Landwirtschaft kein Haupttreiber dahinter zu sein.


    Presse: https://phys.org/news/2019-11-…ce-insect-armageddon.html
    Paper: s41559-019-1028-6

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