Eine stille Katastrophe.

  • Hallo!


    Ich sag es mal wie ich das sehe mit einem 11 jährigen Sohn. Der ist jetzt in der 5. Klasse eines Gymnasiums. Davor war er in einer normalen Grundschule mit leicht kirchlichem Einfluss.
    In Sachen Natur zum Anfassen gab es außer einem Waldspaziergang nichts. Hätten wir in den vier Jahren nicht einmal ein paar Weinbergschnecken und die besagten Gottesanbeterinnen mit in die Schule gebracht hätten die Kinder nicht einmal etwas mit der Natur zum anfassen gemacht.
    Wenn ich da an meine Grundschule denke dann ist das nichts. Wir haben in den vier Jahren damals nicht nur Schnecken beobachtet. Wir hatten auch das Thema Pflanzen gehabt. Jeder Schüler hatte seine eigene Feuerbohne bekommen. Wir mussten über das keimen berichten und durften sie dann später mit nach Hause nehmen als sie schon im Pflanztopf wahren. Wir haben auch mal ein Wespennest auseinander nehmen dürfen (wohl gemerkt ein verlassenes vom Dachboden der Lehrerin). Insgesamt war da einfach mehr los, wobei das auch an den Lehrern liegen mag. Ich kann mir gut vorstellen das meine Lehrerin damals einfach Naturverbundener war, sie kam vom Land und wir sind auch mal zu ihr gefahren.
    Bei dem Gymnasium jetzt ist es so das sie sehr viele Projekte/AG´s haben mit Tieren. Es gibt eine Aquarien AG, eine für Reptilien... ja sogar Papageien gibt es dort und Ziegen im Außengehege. Wie gut das besucht wird weiß ich nicht.
    Ich denke es ist ein vielfältiges Problem das man an vielen Dingen fest machen kann, aber sicher nicht nur an einem.
    Unser Bildungssystem ist auch nicht darauf ausgelegt individuell denkende Menschen hervor zu bringen. Das Schulsystem ist noch aus der Preußenzeit und wird auch nicht wesentlich reformiert werden. Das Bildungssystem soll nur funktionierende "Mitbürger" schaffen die Dinge in der Schule lernen die sie später zu 70% nicht mehr brauchen. Fragt euch mal selbst was ihr aus der damaligen Zeit heute wirklich noch benutzen könnt?
    Wenn ich so meine Arbeitskollegen höre dann merke ich auch das es nicht unbedingt ein Generationen Problem ist. Wenn einer in die Runde Fragt wie schnell sich wohl Tier xyz bewegt und da Teilweise abenteuerliche Dinge bei raus kommen... Es ging um Geschwindigkeiten im Tierreich. Jeder kennt das schnellste Säugetier und das schnellste Tier der Wanderfalke (im Sturzflug). Naja der Kollege fragte halt mit Handy in der Hand wie schnell wohl ein Seestern ist. Nach dem wir 3 Leuten erklärt hatten was das überhaupt ist, ging es ans Raten. Einer sagte dann 50 km/h, puhh was für eine Leistung. Ich fragte ihn dann wie er sich das vorstellt... naja er erklärte das er sich wie ein schnelles Rad über den Boden drehen würde und dabei so schnell wird.
    Es war zum schießen, die Geschichte wird heute noch gerne erzählt. Wenigstens ist es allen anderen aufgefallen das es viel zu schnell ist :)


    Ich denke es wird nicht besser aber meine Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn die Schulen da kein Interesse dran haben dann muss man als Eltern halt etwas nachhelfen, ich denke jeder von uns könnte das mit seinen Kindern später oder heute machen.


    Gruß
    Mathias

  • Ein Interessantes Thema.
    Es stellt sich für mich die Frage wie viel Einfluss gerade Kinder wirklich auf die Natur in Deutschland haben. Für mich persönlich ehrlich gesagt nur extrem wenig.
    Die andere Frage wäre wie viele Interessen ein Kind in sein Erwachsenenleben wirklich übernimmt. Je nach Berufswahl, teils massiven Standortwechseln und Lebenswandeln nach meiner Erfahrung und Einschätzung auch nur wenig.
    Die Frage der Logik hilft in meinen Augen nur bedingt - genau die kritisierten Themen (Smartphone, IT und co.) haben ja tatsächlich nur einen extrem geringen Einfluss auf das Wohl der Insekten weltweit. Zumal die Ergebnisse der Logik oft so schmerzhaft sind, dass nur wenige bereit sind sie wirklich (auch für sich selbst) umzusetzen.


    Hierzulande meine ich ist der, mit Abstand, gewaltigste Faktor, neben der allgemeinen Bevölkerungsdichte, die (Land)wirtschaft.
    Und da ist, ebenso nach meiner Ansicht, viel Entscheidender das in den letzen 100 Jahren ein gewaltiger Wandel stattgefunden hat. Von, Entschuldigung vorab an der Stelle, einfachen und simplen "Bauern" haben sich Landwirte zu gewinnmaximierenden Betrieben entwickelt. Jedoch steht dort im Durchschnitt weder die Natur im Vordergrund, noch gab es dort eine Modernisierung im ökologischen Sinne. Eher das Gegenteil ist der Fall.


    Dank zumeist flachen, toll beackerbaren Flächen sind die Grundwasserwerte in Deutschland eine Katastophe. Das was auf die Felder gesprüht wird und wie diese aufgebaut sind ebenso. Feldränder sind meist nur noch mehr ein Schatten eines Randes, Blumenwiesen findet man noch an dicht befahrenen Straßen mit der obligatorischen Dose für den Münzeinwurf zur Selbstbedienung. Wilde Wiesen sind geächtet - ebenso Mischwälder oder gar ungenutzte Forste - oha, die Ironie, Forst bedeutet ja "bewirtschaftete Wälder". Auch Waldbrände oder Überflutungen werden gelöscht und bekämpft, denn sie richten ja "Schäden" an und es gibt diese auch erst seit gestern, nicht etwa seit Millionen von Jahren.


    Das "Problem" ist für mich also eher dass es hier vielmehr um den Besitz, die Existenzen und Lebensqualität der Landwirte geht (gehen muss?). Ein unlösbares Problem oder eines dass sich mit den neuen Generationen und desinteresse hier selbst erholen kann? Real betrachtet wahrscheinlich nur dann, wenn es sich nicht mehr "lohnt".


    PS: Der Bildungsstandard ist heutzutage im Durchschnitt übrigens um ein vielfaches höher als "früher" und auch die Zahl der Hochschulabsolventen steigt. Ich kann mich z.B. auch nicht entsinnen dass meine Eltern in der Schule mehr über Insekten gelernt oder gewusst hätten als ich. Eher im Gegenteil, mangels entsprechender Technologien waren sie im Durchschnitt weit weniger Informiert.
    Nur weil in der Natur gespielt wird / wurde heißt das für mich nicht automatisch dass viel darüber gelernt wird oder Interesse dafür entsteht. Es wurden z.B. auch Reifenstapel angezündet und mit der Lupe Ameisen verbrannt. Und alle gingen dann in die Ingeneurswissenschaften, niemand wurde bspw. in der Umwelthilfe aktiv.

  • Die Intensivierung Landwirtschaft in Deutschland ist sicher das Hauptproblem, wenn es um die Anzahl der Insekten geht. Glücklicherweise gibt es viele gute Ansätze (z.B. Blühstreifen), welche die Entwicklung relativ positiv beeinflusst - aber die Forschung hinkt in den Bereichen noch hinterher (in der Praxis bedeutet das, dass teure Maßnahmen ergriffen werden, deren Auswirkungen später überhaupt nicht den Erwartungen entsprechen, und sogar kontraproduktiv sein können), und die Kommunikation zwischen Landwirten und Agrarökologen ist noch viel weniger gut ausgebaut ist als sie es sein sollte. Es ist meiner Meinung nach absolut möglich, ein gut durchdachtes und Biodiversität förderndes Agrarsystem zu entwickeln, ohne große Einbußen im Ertrag zu haben.
    Etwas, das untermittelbar mit dem Bildungsstand der Bevölkerung zusammenhängt ist die gesellschaftliche Akzept gegenüber Biotechnologie. Während in den USA durch genmodifizierte Pflanzen die Pestizideinsätze deutlich zurückgefahren werden konnten, herrscht in Europa eine große, unbegründete Angst vor der Verwendung (und ist deshalb fast komplett verboten) - weshalb sich sogar gerade Naturschutzparteien wie die Grünen oft mit umweltgefährdenter Politik großen Rückhalt finden.


    Grüße, Phil

  • Hallo!


    Ohne jetzt die große Landwirtschaftskeule auszupacken ist das Thema mit ein paar setzen gar nicht zu umreißen. Das Thema Gentechnisch veränderter Pflanzen hatten wir beide ja mal im Auto vom Dominik. Mit dem Ergebnis das du es gut findest und ich total dagegen bin. Ich bin es immer noch. Nur weil es in Amerika so toll sein soll müssen wir das ja nicht auch so toll finden. Ich finde wir fummeln da zu sehr in etwas herum ohne auch nur Ansatzweise eine Ahnung davon zu haben wie sich das in 50 oder 100 Jahren auswirken wird. Wir haben jetzt schon nicht nur einen Tierarten sterben sondern auch ein Nutzpflanzen sterben. Es gibt in Deutschland sicher gut 150 Arten von Tomaten zu kaufen. Im Supermarkt findet man vielleicht deren zehn. Für die anderen muss man schon zu speziellen Märkten fahren. Mit Kartoffeln das gleiche, sie sind nicht Produktiv genug, also gibt es nur die die auch den nötigen Profit erwirtschaften. Die Landwirtschaft mit ihren Subventionen damit sie überleben können ist auch ein Thema das nicht dazu Beiträgt das es unserer Natur besser geht. Normalerweise gehen unrentable Firmen pleite und die anderen übernehmen dann diese Lücke. In unserer Landwirtschaft geht aber keiner Pleite weil der Milchbauer dann wieder die Hand auf hält und Milliarden an Steuergelder erhält nur damit er immer weiter noch mehr Milch produzieren kann die keiner braucht, der Preis fällt weiter. Das ist ein ewiger Kreislauf den keiner unserer Politiker durchbrechen will. Lieber die vegane "Wurst" verbieten (die Bezeichnung, der Verbraucher könne es nicht mehr unterscheiden, demnächst bringt Herr Schmidt die Verbraucher noch zu Bett da sie das ja nicht mehr alleine hinbekommen können) und Schweinefleisch in der Schulmensa verteilen...


    Ich könnte noch mehr schreiben, aber das regt auch zu sehr auf und ist viel umfangreicher als das es noch etwas zum Thema beitragen würde. Fakt und traurig zu gleich, den Bienen in der Stadt geht es besser weil sie weniger negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind und sie dort auch das ganze Jahr über Nahrung finden (Balkonpflanzen, Grünstreifen, Parks).
    In diesem Sinne gute Nacht!


    Lieben Gruß
    Mathias


    P.S Wir leben übrigens in einer Zeit in der mehr Arten aussterben als jemals zuvor, mal abgesehen von einem Asteroiden und den Eiszeiten. Die Biomasse an Wildtieren wurde um 2/3 gesenkt. In Amerika vor 200 Jahren waren ca. 90% aller Säugetiere noch Wildtiere, heute ist es genau andersherum und 90% sind nun Nutztiere. Das sind Fakten und das denke ich mir auch nicht aus. Schaut man mal per Google Earth sich den Südamerikanischen Kontinent an dann kann man jetzt schon die Auswirkungen der Abholzung des Regenwalds erkennen, ohne großartig zoomen zu müssen.

  • Hallo Mathias,


    ich verstehe ja Deine Befürchtungen, diese kommen aber nicht durch die Gentechnik an sich sondern durch die kommerzielle Entwicklung in der Landwirtschaft; das Problem mit der Verarmung der Sorten und die Konzentration auf den Ertrag hat man sowohl bei gentechnisch veränderten Organismen als auch bei durch klassische Bestrahlung hergestellten Mutanten (oder welche Züchtungsmethode auch immer).
    Ich stimme Dir zu, dass die geringe Sortendiversität in Zukunft zu riesigen Problemen führen wird. Das ist sogar schon in der Vergangenheit passiert mit der Gros Michel Banane: das war einmal die am meisten angebaute Bananensorte der Welt. Da aber Bananen eine sehr geringe genetische Diversität aufweisen (weil sie sich nicht sexuell replizieren) hat ein Pilz ("Panama disease") beinahe die komplette Bananenwirtschaft weltweit kaputt gemacht. Sehr viele andere Nutzpflanzen stehen heute vor einem ähnlichen Risiko, aber man könnte gezielt z.B. mit gentechnischen Methoden dagegen vorgehen.


    Die fragwürdige Politik der Riesenkonzerne Bayer, Monsanto und Co. (die auch ohne Gentechnik fragwürdig wäre) ziehen leider die gesamte Technologie in den Dreck, dabei hat das Thema ein unglaublich großes positives Potenzial. Beinahe jeder der sich tiefer gehend mit der Materie beschäftigt kommt zu diesen Ergebnis, und ich sehe es fast schon als eine ethische Verpflichtung, dass wir diese Technologien einsetzen.
    Kaum ein anderes Thema hat derart große Diskrepanz zwischen öffentlicher Meinung und wissenschaftlicher Erkenntnis, weswegen sich sogar 123 Nobelpreisträger ausdrücklich gegen Greenpeace' Anti-GMO Politik ausgesprochen haben: http://supportprecisionagriculture.org/


    Grüße, Phil

  • Übrigens halte ich den Rückgang der Insektenpopulationen nicht für ein Ereignis, das sich auf eine kurzfristige Änderung wie z.B. mehr Pestizide zurückführen lässt. Was wir gerade zu spüren kommen, ist vermutlich die sogenannte "Aussterbeschuld", die sich erst Jahre oder Jahrzehnte nach den zahlreichen Habitatfragmentierung (wie wir sie in Deutschland überall haben) erst langsam kenntlich macht. Von Wikipedia:

    Zitat

    Dem Metapopulations-Ansatz zufolge sterben bei Habitatverkleinerung und Isolation die betroffenen Arten nicht sofort aus. Vielmehr erlöschen erst nach und nach immer mehr Subpopulationen, die nicht mehr über den Rettungseffekt neu begründet werden. Wird ein vorher zusammenhängender Lebensraum in kleinere Teilhabitate zerschnitten, ist es dann wahrscheinlich, dass die verbleibenden Habitatinseln zunächst fast alle Arten des Ursprungshabitats enthalten. Dieser hohe Artbestand ist dann aber nicht mehr im Gleichgewicht mit den neuen Bedingungen. Es ist zu erwarten, dass im Laufe der Zeit zahlreiche Arten nach und nach aussterben werden. Für einen lokalen Beobachter wäre dieses Aussterben unerklärlich, weil sich die Größe und Habitatqualität der von ihm untersuchten Insel (z. B. eines Schutzgebiets) gar nicht verschlechtert hätte. Für diesen, von der Theorie vorhergesagten Arten-Überhang wurde der Begriff der Aussterbeschuld eingeführt.


    Grüße, Phil

  • Wenn in den USA die die Pestizideinsätze zurück gefahren werden konnten, ist denn dann dort in der letzten Zeit auch das Bienen- und Insektensterben zurück gegangen, Phil? Gibt es dazu Erkenntnisse?


    Es ist ja immer so leicht, sich aufzuregen und sich aufregen zu lassen. Ich habe zB. darüber nachgedacht, die "Gülle-Frage" in üblichen aufgeregten Art eingehender zu thematisieren, bis ich dann das hier las: http://www.deutschlandradiokul…ml?dram:article_id=371719
    Trotzdem, auch wenn das dort zu lesende nachdenklich macht und uns wieder mal vor Augen führt, was wir von den manchmal aufgeregten Experten jeder Couleur halten dürfen, wenn man hier in Rheinland-Pfalz lebt und beobachtet, wie niederländische Tanker hier in den Rheinhäfen festmachen und dann von niederländischen Lastzügen leer gepumpt werden, die dann das "Gut" in der Eifel verteilen, dann kann man schon ärgerlich werden.
    Es wird Fleisch produziert, auf Teufel komm raus. Auf viel zu kleinen "Höfen", Fleischfabriken mit zu kleinen Grundstücken, die Scheiße und der Urin des lieben Höchstleistungs-Viehs wird dann auf Gülle-Börsen gehandelt. Der Verbraucher ist natürlich an allen Schuld. Er ist ja so geizig, besonders der deutsche. Nebenbei macht man mit Fleischabfällen und Tierteilen, die der Verwöhnte nicht essen mag in Europa, die Märkte in anderen Teilen der Welt kaputt.
    Wir wissen es. Wir fressen den Planeten auf und scheißen ihn wieder hin.


    LG, Frank.

  • Wenn in den USA die die Pestizideinsätze zurück gefahren werden konnten, ist denn dann dort in der letzten Zeit auch das Bienen- und Insektensterben zurück gegangen, Phil? Gibt es dazu Erkenntnisse?

    Ich bezweifle sehr stark, dass es dazu Erkenntnisse gibt; zum einen ist es sehr schwer das Insektensterben tatsächlich zu quantifizieren, zum anderen gibt es ganz sicher viele verschiedene Ursachen für das Sterben, was ein Rückschluss beinahe unmöglich macht. Beispielsweise hat sicherlich der Zuwachs der Agrarflächen an sich über die Jahre einen erheblich größeren Einfluss als die Verwendung von unterschiedlichen Pestiziden. Aber wie der genau aussieht ... ? Man muss natürlich bedenken, dass durch Gentechnik nicht nur die Verwendung von Pestiziden beeinflusst, sondern auch den Ertrag pro Fläche (man braucht also weniger Agrarfläche für gleiche Produktionsmenge) und bessere Ausnutzung von schlechter Bodenqualität (z.B. Salzresistenzen).


    Im Prinzip sind wir ohnehin schon in kompletter Abhängigkeit zu GMO -Produkten: insgesamt besteht ca. 12% der weltweiten Anbaufläche aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Darunter ist vor allem Soja (83% des Anbaus mit GMO) und Baumwolle (75%); Soja wird importiert und an unsere Schweine verfüttert, und beinahe jede Jeans aus GMO Baumwolle hergestellt. Und das ist nur die grüne Gentechnik, sehr viele Medikamente (z.B. Insulin) werden auch über gentechnische Verfahren hergestellt. Ich glaube es gibt keinen einzigen GMO-Gegner, der nicht in irgendeiner Art und Weise von GMO's profitiert hat.


    Grüße, Phil

  • Die mehr als fragwürdige Aussage von einem Insektenrückgang von 80% hat ihren Weg in die deutschen Medien gefunden. Wie ich vorher schon erwähnte, gibt es allerdings kaum kaum langfristige Populationsabschätzungen zu Insekten in Deutschland.
    Daher beschäftigte sich auch der Blog "Unstatistik des Monats" im August mit der Zahl.
    http://www.rwi-essen.de/unstatistik/70/


    Es ist schon seltsam; wir wissen, dass es ein (vielleicht riesiges?) Problem gibt, aber können nicht halbwegs zuverlässig abschätzen, welche Ausmaße es hat und erst recht nicht, wie Gegenmaßnahmen aussehen könnten.
    Die logische Konsequenz wäre, endlich mehr Gelder in Langzeitforschungsprojekte zu stecken. Das hätte man auch vor 30 oder 40 Jahren erkennen sollen...


    Grüße, Phil

  • Grad eben hab ich noch über die armselige Datenlage gejammert, und nun ist heute tatsächlich eine Studie mit relevanten Zahlen erschienen, sogar Open-Access im Journal PLoS ONE:


    Zitat

    Hallmann et al. (2017)More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809


    Die Studie enthält Daten von einem Zeitraum von 27 Jahren von 63 geschützten Habitaten in Deutschland. Erfasst wurden mit den Fallen nur Fluginsekten. Tatsächlich ergibt sich ein arger Negativtrend von rund 75% in der Insektenbiomasse, insbesondere im Sommer (der allgemeine Höhepunkt der Biomasse).
    Wie es um die Ursachen steht, lässt sich nicht eindeutig herauslesen; getestet wurden einige Faktoren, aber keiner davon scheint entscheidenten Einfluss auf die Insektenbiomasse zu haben: Weder Klimawandel (Temperatur) noch Landschaftsveränderung (beackerbares Land, Pflanzenänderung im Habitat) haben einen signifikanten Effekt auf die Insektenbiomasse. Vermutet wird von den Autoren ein Effekt durch Intensivierung der Landwirtschaft, allerdings bleibt das ohne Datengrundlage.


    Grüße, Phil

  • Da muss ich jetzt wieder in die andere Richtung zurückrudern. Gerade hatte ich eine interessante Diskussion mit einem Studienkollegen von mir (Doktorand in Agrarökologie) über die Studie, und es scheint, dass die Studie einen erheblichen Mangel aufweist.
    Die Zahl von 27 Jahren täuscht sehr, denn wenn man sich die Methoden genauer anschaut, ließt man:

    Zitat

    Most locations (59%, n = 37) were sampled in only one year, 20 locations in two years, five locations in three years, and one in four years[...].


    Übersetzung: Die meisten Standorte (59%, n=37) wurden nur in einem Jahr besammelt, 20 Standorte in zwei Jahren, 5 Standorte in drei, und eine in vier Jahren [...]

    Das heißt, dass nicht etwa die selben Standorte über 27 Jahre besammelt wurden, sondern in mehr als der Hälfte der Fälle nur ein einziger Standort in dem gesamten 27 jährigen Zeitraum. Das ist eine sehr zweifelhafte wissenschaftliche Praxis, denn wirklich zuverlässige Schlussfolgerungen könnte man nur dann ziehen, wenn die selben Standorte in Zeitfolge besammelt würden.


    Zwar bin ich (und sicher ein Großteil der Ökologen) persönlich davon überzeugt, dass der Insektenschwund ein echtes Phänomen ist, jedoch kann man das nur schwer eindeutig belegen. Und schon gar nicht irgendwelche irgendwelche Schlüsse daraus ziehen, was die Ursache ist: Trotzdem taucht die Studie nun überall in den Medien als scheinbarer Beweis auf, und überall wird heftig spekuliert und teilweise sogar Pestiziden wie Neonicotinoiden die Schuld in die Schuhe geschoben.


    Es ist ein Dilemma vor dem die Wissenschaft steht: Jeder will Forschungserkenntnisse hören. Man selbst hat aber nur eine fragwürdige Datengrundlage - sollte man sie trotzdem veröffentlichen, und dabei den Ruf riskieren, um die Politik voranzubringen? Oder lieber vorsichtig vorgehen, und nichts publizieren bis nicht eine eindeutige Datenlage vorhanden ist?


    Grüße, Phil

  • Stimmt, Phil, die Medien sind alarmiert, man hört den ganzen Tag von dieser Studie, zB. im Autoradio. Sehr schnell aber wird auch diese Studie wieder in Vergessenheit geraten... Es wäre schade, wenn es so ist, wie du sagst und die Vorgehensweise der Verfasser nicht den wissenschaftlichen Kriterien entspricht.
    Aber es ist doch so, wie du auch sagst, das Verschwinden der Insekten ist ein spürbares Phänomen. Es kann jeder bemerken, der darauf achtet. Der Rückgang der Insekten um 75 % wäre beträchtlich, mir erscheint er auch glaubhaft. Moderne Pestizide wie die Neonicotinoide sind dabei wohl schon seit einiger Zeit in Verdacht. Für mich nicht ganz unplausibel. Ich erinnere mich an die eine oder andere Dokumentation, bei der ihr wenig segensreiches Wirken zB. auf Honigbienen und deren Orientierungsvermögen erwähnt wird. Ähnliche Auswirkungen, wenn es sie denn gibt, mag es bei allen Insekten geben. Nur, wer erforscht schon das Orientierungsvermögen von Blumen- oder gar Schmeißfliegen? Ihnen, den Neonicotinoiden und ihrem Einsatz in der Landwirtschaft würde ich dabei nicht allein die Schuld geben.
    Die wachsende, weitere Intensivierung der Landwirtschaft, Monokulturen, Gülleverklappung ohne Ende tragen sicher auch ihren Teil bei. Riesige Monokulturen, allein für den Zweck, in "Bio"gasanlagen zu hoch subventionierter Energie verheizt zu werden. Monokulturen, die mit modernen Pestiziden geschützt werden müssen, die dann vielleicht, oder wahrscheinlich unsere Insekten schädigen. Der Mais gammelt dann teilweise bis zum Eintritt des Winters auf den Feldern herum, und woanders hungern Menschen. Wahnsinn, der im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stinkt aus diesen malerisch in unsere Kulturlandschaft eingestreuten Gasanlagen. Manchmal, wenn ich durch unser Land fahre, denke ich, was ist das mittlerweile für ein Sch...ssland. Es stinkt alle fünf Kilometer nach einer anderen Art von Sch...sse. Manche Landwirte nennen sich heute Energiewirte. Güllewirte? Manche sicherlich. Wer braucht so etwas?


    Ich weiß nicht, wie lange diese Neonicotinoide bereits eingesetzt werden. Ich weiß aber, dass es in früherer Zeit, in den 80ern und 90ern und davor sehr viel mehr Insekten gab. An giftig buntlackierte, frisch eingesäte Maiskörner, Saatgut, erinnere ich mich aus diesen früheren Zeiten nicht.
    Nun kann man warten und nichts tun. Auf Studien warten. Ratlos und tatenlos dem weiteren Verschwinden der Insekten und Vögel zusehen. Man kann aber auch fragen, welche Methoden haben sich in den Jahren geändert, welche neueren Gifte und Pflanzenschutzmittel werden eingesetzt? Manchmal wäre es doch ganz gut, darüber nachzudenken und dann ggfs. zu handeln.
    Und da kann auch eine solche Studie ein wertvoller Anstoß sein, hoffe ich. Zumindest kann sie dafür sorgen, dass das Phänomen mit mehr Mitteln und mehr Vehemenz erforscht und angegangen wird.


    LG, Frank.

  • Hallo Frank,


    ja, eine ganz eklige Sache mit dem Düngern.

    Zitat

    Nun kann man warten und nichts tun. Auf Studien warten. Ratlos und tatenlos dem weiteren Verschwinden der Insekten und Vögel zusehen. Man kann aber auch fragen, welche Methoden haben sich in den Jahren geändert, welche neueren Gifte und Pflanzenschutzmittel werden eingesetzt? Manchmal wäre es doch ganz gut, darüber nachzudenken und dann ggfs. zu handeln.


    Dem Trend entnehme ich, dass es seit damals beständig bergab ging. Man kann leider nicht den plötzlichen Anfang festlegen, weswegen es nicht möglich ist, den Rückgang auf eine Praxis wie z.B. Pestizide festzulegen. Eher im Gegenteil würde ich behaupten, dass sich z.B. Pestizide zum Besseren, für die Umwelt ungefährlicheren Substanzen hin entwickelt haben, ebenso wie sich Öko-Landwirtschaft einen Aufschwung erlebt hat.
    Ich persönliche halte die Habitatfragmentierung (siehe meinen Beitrag weiter oben) für den Hauptgrund des Verschwindens der Insekten; und das ist ein Effekt, der langsam voran geht, seine Ursache vielleicht schon vor fünfzig oder hundert Jahren (oder noch älter!) hatte aber seinen vollen Effekt erst jetzt spürbar entfaltet hat. Und genauso lange wird es dauern, den Effekt wieder umzukehren. Traurig vor allem auch, wenn man bedenkt wie Überflüssig ein Teil der Landwirtschaft eigentlich in Deutschland geworden ist und wie viel Subventionen hineinfließen und am Ende dann Lebensmittel weggeschmissen werden.


    Übrigens, was mir noch eingefallen ist. In der Studie wird die gesamte Insektenbiomasse behandelt. Das bedeutet, dass logischer Weise der Effekt auf die Statistik von großen Insekten wie z.B. Schmetterlingen vergleichsweise hoch ist. Es kann sein, dass wir einen Größenshift in der Artencommunity sehen; zum Beispiel könnten Schmetterlingspopulationen zurück gehen (was sie, soweit ich weiß, tatsächlich tun), aber zahlreiche Fliegen und Hautflüglern könnten konstant bleiben oder sogar zunehmen. Es wird leider nicht ersichtlich aus der Studie, aber das sollte man im Hinterkopf behalten.


    Grüße, Phil

  • Guten Abend:


    Ich bin kein Spezialist noch studiert, doch aber sehr interessiert.
    Ich kann von meiner Region rings um Dachau bei München. Einen starken Rückgang der Insekten Vielfalt beobachten. Landwirte oder Imker in der Region sind mir einer Meinung.
    Das verblüffende ist aber eine höre Kolonie Zahl der Hornissen Völker derzeit. Hatte ich so noch nie. Komisch widersprüchlich aber dennoch zu verzeichnen.
    Lg
    M. 123

  • Das verblüffende ist aber eine höre Kolonie Zahl der Hornissen Völker derzeit.

    Hi,
    und ich dachte es ist Zufall bei mir....
    Ich habe auf einer Fläche von ca 600 qm 3 große Hornissen Nester, und auch auf den Baustellen treffe ich jetzt immer wieder auf Nester.
    Normal werden sie umgesiedelt, im letzten Fall wurde es aber erst erkannt als sie mit 40 Kubikmeter Stroh im Container waren. Das es weniger andere Insekten geben soll ist mir nicht aufgefallen, durch meine Großtierhaltung werden wir nach wie vor von Insekten terrorisiert, lediglich Bienen konnte ich sehr wenig entdecken. Vielleicht liegt es ein wenig daran das bei mir keinerlei Düngemittel eingesetzt werden ?(


    Gruß Ralf

  • Liebe Naturfreunde.
    Ich möchte noch ergänzend eine 90min Arte-Doku einfügen, die sich mit dem Spritzmittel RoundUp befasst. Ich hatte schon an anderer Stelle davon berichtet die Finger davon zu lassen, aber ohne die ethischen und grundlegenden Überlegungen dazu anzuführen.
    Die Doku ist erstmal nur in der Mediathek zu sehen: https://www.arte.tv/de/videos/…00-A/roundup-der-prozess/


    liebe Grüße, schönes Wochenende und viel Spaß beim schauen. kleiner Tipp: vorher etwas essen, weil es nachher evtl nicht mehr geht :P

  • Hallo zusammen,
    In meiner Gegend konnte ich , seitdem ich seit ca 2 Jahren gezielt danach Ausschau halte, nur selten Hornissen bobachten, geschweige denn Nester.
    Doch dieses Jahr hat unser Nachbar, der in einem größeren alten "Holzhaus" wohnt ganze 3(!!) Hornissennester über das ganze Grundstück Verteilt.
    Das Grundstück ist zwar sehr groß und bietet gute Nistmöglichkeiten, dennoch konnte sowohl er als auch ich noch nie so viele Völker zählen.
    Er hat mir von gelegnetlich einem erzählt , aber drei hätte auch er noch nie gehabt.

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