Hallo zusammen,
wie vielleicht einige von Euch mitbekommen haben, war ich letztes Jahr von August bis Dezember im Comoé Nationalpark an der Elfenbeinküste. Diese 4 Monate konnte ich ganz der Studie von Ameisen widmen, über meine Forschungsarbeit dort an Megaponera analis habe ich bereits hier berichtet: http://eusozial.de/viewtopic.php?f=26&t=3553
Ich möchte nun aber noch ausführlicher über andere Ameisen von dort berichten, denn die Ameisenfauna ist sehr beeindruckend für dieses doch nicht sonderlich große Land. Die große Artdiversität hat ihren Ursprung vor allen in ihrer besonderen Lage zwischen den südlichen Steppenausläufern und den immertropischen Regenwäldern. Das Land ist von einem Nord-Südgefällle im Niederschlag gekennzeichnet, was für eine unglaubliche Vielzahl an Lebensräumen - und damit auch Ameisen - sorgt. Entlang des Nord-Süd Gradienten findet man ganz im Süden immertropischen Regenwald, ein paar Kilometer weiter nördlich laubwerfenden Trockenwald, darauf folgt dann die sogenannte Guinea-(feucht)Savanne und schließlich die Sudanische Savanne, in der sich der Park befindet. Die Übergänge sind selbstverständlich fließend, es ist sehr spannend mit dem Auto vom Süden in den Norden zu fahren, die Landschaft ändert sich beständig.
Der Comoé Nationalpark befindet sich im Nordosten des Landes. Der Comoé Nationalpark zeichnet sich durch seine vielen verschiedenen Habitattypen aus. Die größte Fläche ist mit Savanne bedeckt, welche, je weiter man in den Norden dringt, immer trockener und steppenartiger wird. Es finden sich jedoch auch große Flächen bedeckt von sogenannten Inselwäldern, welche in ihrer Erscheinungsform bzw. Pflanzenzusammensetzung sehr vielfältig sind. Kaum ein Inselwald gleicht einem anderem. Dazu kommen noch ausgeprägte Galeriewälder entlang der Flüsse, wobei sich auch hier teilweise große Unterschiede finden können; der Galeriewald des Flusses Iringou ist deutlich größer und wirkt viel „tropischer“ als der entlang des Comoé. Einhergehend mit der unterschiedlichen Vegetationsdichte und den Pflanzentypen weisen diese Gebiete auch sehr unterschiedliche Artzusammensetzungen von Ameisen auf. Spezies, die in der Savanne verbreitet sind, findet man nicht in Wäldern und umgekehrt. Aber auch zwischen den einzelnen Inselwäldern und den Galeriewäldern bestehen teilweise deutliche Unterschiede in Artabundanzen- und -verbreitungen.
Abb. 1 Links: Savannenhabitat Rechts: Tropischer Galeriewald am Iringou. Beide Stellen waren keine 200 Meter voneinander entfernt!
Es lohnt sich daher, die verschiedenen Gebiete genauer unter die Lupe zu nehmen und an möglichst vielen verschiedenen Stellen nach Ameisen zu suchen. Typische Savannenbewohner, die sich nicht in anderen Habitaten finden, sind zum Beispiel Camponotus sericeus, C. compressiscapus, C. acvapimensis, Myrmicaria natalensis, Polyrhachis schistacea, P. viscosa und Messor spp.. In Wäldern, aber nie in der Savanne hingegen finden sich Polyrhachis militaris, P. phidias, Bothroponera pachyderma, Psalidomyrmex foveolatus, Leptogenys conradti und Odontomachus troglodytes, um ein paar Beispiele zu nennen. Ich werde später noch auf alle genauer eingehen.
Ebenso gibt es Arten, die in beiden Habitattypen häufig anzufinden sind, da ihre Habitatansprüche nicht sehr anspruchsvoll sind, wie zum Beispiel Megaponera analis, Paltothyreus tarsatus und Oecophylla longinoda. Neben dieser horizontalen Verbreitung kann man auch eine vertikale Verbreitung beschreiben; es gibt logischer Weise eine komplett andere Artzusammensetzung auf Bäumen als auf dem Boden. Dabei kann man noch zwischen verschiedenen Höhenstufen unterscheiden, so gibt es in bis zu 2 Metern Höhe oft andere Spezieszusammensetzungen als in 10 Metern. Einblick in die Canopy-Ameisenfauna bekommt man nur selten, meistens dann, wenn ein Ast frisch herabgestürzt ist - man sollte die Gelegenheit sofort wahrnehmen und ihn untersuchen, denn dort kann sich so einige Überraschung verbergen. Eine Gattung, die beispielsweise nur in höheren Lagen vorkommt, ist Atoptomyrmex, eine große, polymorphe Myrmicine. Weitere typische Baumbewohner sind Tetraponera spp., Nesomyrmex spp., Oecophylla longinoda, Platythyrea conradti, Crematogaster spp. und Cataulacus spp.. Auf dem Boden hingegen, in der Streuschicht, tut sich wieder eine andere Welt auf, die vor allem von kleinen, Arthropoden jagenden Myrmicinen und Ponerinen beherrscht wird, die man ansonsten niemals zu Gesicht bekommt und oft mit seltsamen morphologischen Besonderheiten überraschen; beispielsweise Strumigenys spp., Anochetus spp., Hypoponera und Calyptomyrmex. Dann gibt es solche Ameisengattungen, die derart viele Spezies hervorgebracht haben, dass sie eigentlich überall anzutreffen sind; dazu gehören vor allem Camponotus, Pheidole und Tetramorium.
Aber genug von den Beispielen, werden wir ganz konkret. Ich werde hier eine Reihe an Ameisenarten vorstellen.
Vorwort zu den Artbeschreibungen
Die Artbeschreibungen haben nicht den Zweck, vollständig zu sein; sie sind eine kleinere Kollektion von Wissen über die interessantesten Ameisen, die man im Comoé Nationalpark vorfinden kann, mit einigen persönlichen Anekdoten. Leider sind längst nicht alle Gattungen, nicht einmal alle Unterfamilien, hier beschrieben, die im Park anzutreffen sind. Ich habe mich auf die häufigsten und interessantesten Spezies konzentriert, und dabei auf die lebenden Tiere: Von toten, wenig sagenden Präparaten wird hier bewusst Abstand genommen. Die wahre Begeisterung für Ameisen entfaltet sich, wenn man die lebenden Tiere beobachtet, und nicht dann, wenn man Winkler-Säcke und Barberfallen aussortiert, und die Winzlinge nicht mal in Aktion gesehen hat. Daher kann man die Beschreibungen, die hier angeführt werden, auch eher wenig zu Bestimmenzwecken verwenden, denn tote Präparate sind dafür oft unersetzlich. Dennoch gibt es natürlich öfters ein paar Kommentare, wie man die Tiere erkennt und unterscheidet.
Zu jeder Gattung wird weiterführende Literatur angegeben; dies soll kein bloßes Quellenverzeichnis sein, sondern spezifisch auf gute wissenschaftliche Abhandlungen hinweisen, die man lesen sollte, wenn man an jenen Arten interessiert ist. Der Übersicht halber habe ich auch immer auf das Thema einer Publikation verweisen. Auf Zitate im Text habe ich bewusst verzichtet, da sie oft den Lesefluss stören, und nicht zwingend zweckdienlich sind. Das macht den Text an sich natürlich weniger wissenschaftlich; aber er ist auch voll mit persönlichen Beobachten und Anekdoten. Es fällt auf, dass über einen absoluten Großteil der Ameisenspezies noch kein Wissen über deren Biologie vorhanden ist. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert, und ich einige Inspirationen für künftige Interessierte geben kann.
Tatsächlich kann man fast alle Untersuchungen zur Ameisenbiologie bei westafrikanischen Ameisen auf recht wenige Forscher zurückführen. Lévieux hat zahlreiche Ameisen in seinen Arbeiten untersucht, allerdings lässt die pure Masse seiner Beobachtungen zu den vielen Spezies nur eine anekdotische Methodik zu, weshalb seine Arbeiten nicht den heutigen Standard der Wissenschaft entsprechen und Fehleranfällig waren. Dennoch, er war der vielleicht größte Ameisenforscher der Elfenbeinküste, und hat unglaublich viel Wissen vor allem über die Arten der Savanne zusammengetragen.
Der berühmte Treiberameisenforscher William H. Gotwald hat in Westafrika zahlreiche Studien über Treiberameisen durchgeführt, und letztendlich 1995 sogar ein Buch über Treiberameisen geschrieben („Army Ants: the Biology of Social Predation“), das sich hervorragend lesen lässt und eine Wissensfundgrube für den interessierten Ameisenliebhaber ist. Einen Teil seiner Forschungsarbeit hat er auch an der Elfenbeinküste durchgeführt.
Alaine Dejean (& Kollegen) hat sich das Verhalten und die Ernährung zahlreicher interessanter Ameisen angeguckt, wie es damals fast niemand tat und auch heute fast niemand mehr tut. Fast alle seine Arbeiten sind sehr lesenswert und geben faszinierende Einblicke in das Leben von vielen Ameisenarten. Viele seiner Arbeiterin sind in der weiterführenden Literatur angegeben.
Dasselbe gilt auch für Bert Hölldobler, der einige wichtige Erkenntnisse insbesondere über Paltothyreus tarsatus und Oecophylla longinoda zusammengetragen hat; seine Studien sind immer sehr umfassungsreiche, und behandeln oft ein breites Spektrum an Themen.
Der lokale Forscher Kolo Yéo ist ein Experte für Ameisendiversität und Taxonomie für Ameisen an der Elfenbeinküste. Er ist eine sehr nette Persönlichkeit, und hat mir auch weitergeholfen. Er beschäftigt sich aber auch mit allgemeiner Biologie und Lebensweisen, vor allem mit Platythyrea conradti.
Als Quelle und Inspiration diente mir vor allem die Website von Brian Taylor (Antsofafrica.org). Ohne diese wäre ich selbst aufgeschmissen gewesen, denn Taylor hat unglaublich viel Wissen über fast alle Ameisenarten Afrikas zusammengetragen, inklusive Schlüsseln und noch dazu viele Arten und Artgruppen selbst überarbeitet – dies oft allerdings nur auf seiner Homepage und nicht in einem Journal, weshalb seine Arbeit wohl oft nicht den Credit bekommt, den sie eigentlich verdient. Ich möchte jeden, der sich an Bestimmungen versucht, auf seine Homepage weiterleiten. Diese wird übrigens regelmäßig aktualisiert, meine Informationen stammen von der Überarbeitung vom Nov. 2015.
Als immer wieder aktualisiertes gängiger Spezies ist der online Ameisenkatalog AntCat.org zu nennen, welche von dem wahrscheinlich größten Ameisentaxonomen aller Zeiten, Barry Bolton, betrieben wird. Dieser ist die Hauptquelle für die Artenanzahlen der jeweiligen Gattungen. Er hat fast alle Ameisengruppen taxonomisch bearbeitet.
Es gibt natürlich noch viele weitere Forscher, die große Beiträge zu den Ameisen von Afrika geliefert haben, und möchte mich entschuldigen, sie nicht hier direkt genannt zu haben.
Aber genug gelabert. Es geht gleich weiter mit den ersten Ameisenarten